Karben. Um künftig optimal auf Starkregenereignisse vorbereitet zu sein und Schutzmaßnahmen prüfen zu können, lässt die Stadt Karben ein entsprechendes Gutachten erstellen. Die ersten Gefahrenkarten des Darmstädter Ingenieurbüros Dahlem liegen nun vor. Was muss sich künftig ändern, um bei Unwettern gewappnet zu sein?
Bunte Tupfen ziehen sich über die Karten der verschiedenen Stadtteile: In den dunkelblauen Bereichen würde sich das Wasser einen Meter hoch stauen, die – seltenen – violetten Flächen bedeuten sogar eine Wasserhöhe von bis zu zwei Metern.
»Die erste Phase des Projekts ist nun abgeschlossen, wir wissen jetzt, wo das Wasser im Falle eines Starkregens hinfließen würde«, sagt Bürgermeister Guido Rahn (CDU). »Nun gilt es, in der zweiten Stufe zu identifizieren, wo besondere Risikobereiche liegen und wie diese minimiert werden können.«
Seit einem Jahr ist das Stark-regengutachten in Arbeit. Für Michael Soborka, bei der Stadt für Tiefbau zuständig, und Jesus Gil-Gustavo, Betriebszweig-leiter Stadtwerke, war es ein arbeitsreiches Jahr: Sie mussten dem Darmstädter Büro Dahlem für die Simulation der verschiedenen Regenstärken immer wieder neue Maße und Informationen durchgeben. Welchen Durchmesser hat ein Rohr, welche Mauer wurde nicht erfasst? In regelmäßigen Meetings wurden die Karten feinjustiert.
»Eine große Herausforderung waren beispielsweise privat errichtete Mauern oder Vorsprünge auf Grundstücken, die aus den Liegenschaftskarten nicht hervorgehen, die Fließrichtung des Wassers aber stark beeinflussen«, erklärt Soborka. So seien er und sein Team immer wieder zu Ortsbegehungen durch die einzelnen Stadtteile ausgerückt, um jedes noch so kleine Mäuerchen in der Simulation zu erfassen.
Das Ergebnis ist eine detaillierte Gefahrenkarte, die voraussichtlich Mitte 2025 auch den Bürgerinnen und Bürgern vorgestellt werden soll. Denn an einzelnen Stellen ergeben sich auch für sie potenzielle To-dos zur Risikominimierung.
Bürger werden
2025 informiert
Ein Beispiel ist das Gebiet des alten Sportplatzes am Ortsausgang von Petterweil, das heute Wohngebiet ist: Es ist einer von wenigen violetten »Hotspots« in Karben, hier würde sich das Wasser beträchtlich stauen. Hier sei stadtseitig denkbar, ein Rücklaufbecken zu errichten, erklären Soborka und Rahn.
Parallel müssten aber auch die Anwohnerinnen und Anwohner für die Problematik sensibilisiert werden, betont der Rathaus-Chef: »Wer hier im Keller Wohnraum schafft, muss sich über die Gefahren im Klaren sein.« Dies werde betroffenen Karbenerinnen und Karbenern im neuen Jahr kommuniziert, beispielsweise über Versammlungen in den einzelnen Stadtteilen, so eine Idee. Den städtischen Gremien seien die Karten bereits im Sommer zur Verfügung gestellt worden.
Ein weiterer Gefahrenpunkt ist die Feuerwehr in Burg-Gräfenrode, geht aus den Karten hervor. Dies sei bereits durch den geplanten Umzug des Feuerwehrgerätehauses entschärft, unterstreicht Rahn zwar bei einem Blick auf die Karte. Doch auch für die künftige Errichtung von Wohnraum auf dem Gelände sei das wichtig zu wissen.
»Ziel ist es, nun ein Handlungskonzept zu erstellen, wie wir Risiken entkräften können«, so Rahn. So gelte es beispielsweise, vor allem Strukturen mit vulnerablen Menschen – Pflegeheime sowie Kindertagesstätten – besonders zu schützen, sollten diese in gefährdeten Gebieten liegen. Manchmal helfe es hierfür bereits, eine Leitung zu verlegen, betont Gil-Gustavo. Auch bei der Planung möglicher Neubaugebiete könnten die nun vorliegenden Informationen wichtig sein, ebenso beispielsweise bei der Disposition von Sandsäcken im Notfall. Dahlem hat für das 120 000 Euro teure Gutachten verschiedene Regenszenarien durchgerechnet und modelliert – mal mit trockenen Äckern, mal mit komplett durchfeuchtetem Boden, bis hin zum Worst-Case-Szenario mit 100 Litern Wasser pro Quadratmeter und Stunde, wie es ein vergleichbares schweres Stark-regenereignis in Unterliederbach 2006 aufgewiesen hatte. 90 Prozent der Kosten für das Gutachten trage das Land Hessen, so Rahn.
»Wir hatten schon in jedem Stadtteil ein Starkregenereignis«, erklärt der Bürgermeister die Motivation der Stadt für das Gutachten. Insgesamt bekräftigen die nun vorliegenden Simulationen die Gefahrenherde der realen Vorkommnisse der vergangenen Jahrzehnte. »Das Problem sind nicht die bebauten Flächen, sondern das freie Feld«, fasst Rahn zusammen. Dabei zeigt das Gutachten auch, dass bereits getroffene Maßnahmen Erfolg haben: Im Klein-Karbener Tannenweg etwa sei jüngst eine Regenrückhaltung gebaut worden, erklärt Soborka. »Die Karten belegen nun, dass es funktioniert.« Von Jana Sauer