Unsere Reisegruppe genießt den ersten Tag im Heiligen Land am See Genezareth, in Galiläa, im Norden Israels. Wir blicken von einer Anhöhe aus auf den friedlich vor uns liegenden See und denken an die vielen Geschichten, die sich da vor 2000 Jahren abgespielt haben. Damals waren es die Jünger Jesu und die vielen Menschen, die nicht genug von diesem Jesus von Nazareth hören konnten. Und die die Wundergeschichten ohne Ende weitererzählten.
Bis heute sind die Worte und Geschichten in aller Munde, sie sind zu hören und zu lesen in hunderten von Sprachen. So auch die berühmte Rede Jesu, die uns als Bergpredigt im Matthäusevangelium überliefert ist. Sie ist deutlich als Gegenrede zu allen Reden dieser Welt konzipiert. Eröffnet wird die bekannte Rede mit: „Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.“ Wie soll man das verstehen? Ich versuche es mal so zu übersetzen: „Glücklich können sich diejenigen schätzen, die ganz offen für Gottes Wirken in seinem Wort und in seinen Werken sind; sie sollen die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft mit Gott erfahren.“ Wenig später sagt Jesus es ausdrücklich im Zusammenhang einer anderen revolutionären Einstellung: „Selig sind die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes heißen.“ Und in einer weiteren der insgesamt 10 Seligpreisungen heißt es: „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen.“
Wem ist das denn konkret gesagt? Ich denke, in der jüngsten deutschen Geschichte sind es unsere jüdischen Geschwister, die um ihres Bekenntnisses zu Gott, dem Vater Jesu Christi, willen geschmäht, verfolgt und ermordet wurden. Welch ein Irrsinn! Welch ein Wahnsinn, dass die Schand- und Mordtaten von Menschen begangen wurden, die sich Christen nannten, also sich zu Jesus Christus, den Mann aus dem jüdischen Volk bekannten! Juden und Christen hören heute gemeinsam neu auf Jesus, auch auf seine Seligpreisungen. Wir machen dankbar Entdeckungen, dass nach Schuld und Versagen die ausgestreckte Hand von Vergebung und Versöhnung und ein neues Zusammenleben in Deutschland möglich wurden. Welch ein Wunder!
Dankbar ist unsere Gruppe für die Reise in das Ursprungsland unseres Glaubens, um ganz nah an den Orten der Bibel der unvergleichlichen Botschaft des Evangeliums neu zu lauschen. Allem Irr- und Wahnsinn anderer Botschaften der Welt zum Trotz!
Ich wünsche uns in diesem November des Gedenkens an den Holocaust (9. Nov.), der Opfer der beiden Weltkriege (Volkstrauertag) und der ganz persönlichen Verluste (Toten- und Ewigkeitssonntag) ein wirklich getrostes Gedenken und die Kraft des Glaubens an eine trotz all dem Dunklen von Gottes Liebe und Friede bewegte Welt. Uns sind wie damals den Menschen die Seligpreisungen Jesu gesagt. Wir tun gut daran, sie nicht zu überhören.
Pfarrer Matthias Gärtner
Evangelische Kirche Dortelweil