Karben. Hier traten und treten Kinder oft in die Fußstapfen ihrer Eltern, denn Generationen von Groß-Kärbern haben den evangelischen Kindergarten Groß-Karben, der in seinen Anfängen noch »Kleinkinderschule« hieß, besucht. In diesem Jahr feiert die soziale Einrichtung der evangelischen Kirchengemeinde ihr 150-jähriges Bestehen.
Die evangelische Kita hat schon viele Jubiläumsfeiern erlebt. Die heutigen Verantwortlichen rücken aber von dem bisherigen Gründungs- und Jubiläumsdatum 1870 ab und feiern quasi vorgezogen: Für sie ist im Jahr 1869 die Geburtsstunde der evangelischen »Kleinkinderschule« in Groß-Karben. In diesem Jahr hatte der damalige Pfarrer August Schüler seine fortschrittliche Idee einer sozialen Einrichtung für Kleinkinder, die er aus seiner vorherigen Stelle in Rüsselsheim mitgebracht hatte, in die Tat umgesetzt. Damit war der erste Kindergarten im damaligen Landkreis Friedberg und der 20. Kindergarten in Hessen-Darmstadt ins Leben gerufen worden, wie Pfarrer Christian Krüger auf der Gemeindeversammlung schon im April dieses Jahres auf das Jubiläum hinwies.
Die ersten Kinder wurden angemeldet und im Saal des Wirtshauses Fuhr betreut. Im Juli 1869 wurde Schwester Margarethe Strasser als Betreuerin eingestellt. Sie wurde in der Anstalt für Kinderpflege in Nonnenweier (Baden) ausgebildet. Die Zahl der Kinder wuchs schnell an, sodass Pfarrer Schüler beschloss, für die Kleinkinderschule ein festes Haus zu bauen. »Nur Mangel an Glauben, nicht Mangel an Geld und Gut oder irgend einem Ding ist ja Hindernis des Guten«, wird der Pfarrer in der Chronik der »Margarethenschule« zitiert, erstellt durch den Lehrer i.R. Fritz Boller aus Groß-Karben. Der Pfarrer bekam dank Schenkungen und Spenden das Geld zusammen, um Grundstück und Baumaterial zu kaufen und Handwerker zu bezahlen. In knapp einem Jahr wurde das Haus, das noch heute in der Christinenstraße 1 steht und damals am Rande des Dorfes Groß-Karben lag, errichtet. Als die Kleinkinderschule, die im Volksmund »Margarethenschule« genannt wurde, im Oktober 1870 in dem Haus den Betrieb aufnahm, erlebte Pfarrer Schüler diesen Erfolg aus der Ferne; er musste kurz zuvor eine neue Pfarrstelle in Breungeshain (Vogelsberg) antreten.
Zwei Schwestern
Über 72 Jahre leiteten zwei evangelische Schwestern aus dem gleichen Ordenshaus die Geschicke der Kleinkinderschule. Schwester Margarethe wirkte 33 Jahre, ihr folgte 1902 Schwester Christine Jordan nach. Sie hatte das Amt bis 1941 inne. In diesem Jahr ging der Kindergarten in die nationalsozialistische Volkswohlfahrt über. Die 67-jährige Schwester Christine stellte sich den Nationalsozialisten für eine Kindergartenarbeit nicht zur Verfügung. Im Andenken an sie wurde im Jahr 1996 die Wernher-von-Braun-Straße in Christinenstraße umbenannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Anna Fuhr als erste Leiterin den Kindergarten. Seit sechs Jahren leitet Mandy Schrodt nun die evangelische Einrichtung.
Bis 1972 tummelten sich die Groß-Kärber Kinder in der Margarethenschule. Am 4. November 1972 zog der evangelische Kindergarten in das heutige Gebäude in der Pestalozzistraße 12 um. Seitdem habe sich viel im und am Kindergarten geändert, berichtet Gemeinde-Sekretärin Waltraud Fehse, die im Team um die Festvorbereitungen mit Jubiläumsschrift mitarbeitet. Das Dach wurde schon bald erneuert, die Gruppenräume erhielten einen direkten Zugang zum Garten, eine Küche wurde eingebaut, weil immer mehr Kinder über Mittag bleiben, die Betreuungszeiten ausgeweitet. Durch die Einführung der Betreuung der unter Dreijährigen gab es den nächsten Umbau. In naher Zukunft soll die Küche durch einen Anbau erweitert werden. Seit Januar 2019 liegt die Verwaltungsarbeit nicht mehr in den Händen des Gemeindevorstandes, sondern wurde vom Dekanat Wetterau übernommen.
Kita-Leiterin Mandy Schrodt sagt: »Es ist schon spannend und ehrvoll, in welch einer Tradition wir stehen.« Die Leiterin hat etwa vor zwei Jahren von diesem besonderen Jubiläum erfahren. »Da haben die Menschen ihre fortschrittlichen Ideen in die Gemeinde gebracht und umgesetzt.« Heute wie damals gelte, betont Mandy Schrodt: »Wir leisten eine wichtige Arbeit an der Gesellschaft.«
Vor dem Essen beten
Die Kita hat heute 86 Plätze, die Kinder werden in vier Gruppen betreut, die U3-Jährigen in zwei Gruppen zu jeweils 20 Kindern und die Älteren in Gruppen zu je 23 Kindern. Die Betreuungszeit im Modulsystem reicht von 7 bis 16 Uhr. Frühstück gibt es für alle, das Mittagessen ist wählbar. Die Erzieherinnen der Kita haben laut Schrodt eine ganz normale Erzieherinnenausbildung erhalten. Die Einrichtung stehe allen Kindern offen, aber »wir orientieren uns an evangelischen Werten«, bemerkt Schrodt. Nicht nur, dass einmal in der Woche eine Kita-Kirche mit Pfarrer Christian Krüger stattfindet, vor dem Essen gebetet wird und die christlichen Feste wie Ostern, Sankt Martin und Weihnachten in den Gruppen thematisiert werden.
Diese Werte sollen auch gelebt und vorgelebt werden, betont die Kita-Leiterin. »Jedes Kind soll merken: ›Du bist wertvoll. Du wirst so angenommen, wie du bist.‹« Das fordere von den Mitarbeiterinnen ein »sehr stark reflektiertes Arbeiten«. Es gehe nicht darum, die Kinder zurechtzuweisen, ihr Verhalten als richtig oder falsch zu beurteilen. »Wir wollen den Kindern Impulse geben«, sagt Schrodt. Und es gehe darum, sich auf Gemeinschaft einzulassen. So werde auch ein Fokus auf das Zusammenleben in der Kirchengemeinde gerichtet. Die Kita-Kinder, die das wollen, treten bei Seniorennachmittagen, Gemeinde- und Dorffesten auf, wirken in Gottesdiensten mit, etwa zum Erntedank und zu Weihnachten.