Karben. Strahlend blauer Himmel und ein laues Februar-Lüftchen – besseres Wetter konnten sich die Hobby-Obstbauern der GOA (Gemeinschaftsobstanlage) in Klein-Karben für ihren Schnittlehrgang nicht wünschen. „So viele Besucher waren es noch nie“, staunte ein Vereinsmitglied, und Baumwart Oliver Schmidt schulterte wohlgemut seine Astschere. Gleich am Hauptweg der Vereinsanlage hatte er einen Baum ausgeguckt, der dringend einen Schnitt brauchte. Wie alle Obstbäume in den Parzellen ist es ein Niederstammbaum, nicht höher als zwei Meter und in Augenhöhe bequem zu beschneiden. Keine Leiter muss herangeschleppt werden, und Kletterpartien können unterbleiben.
„Die Krone muss dringend ausgelichtet werden“, kündigt Schmidt an und blickt nachdenklich auf den ungepflegten Wildling mit sich kreuzenden Ästen und zahllosen Nebentrieben. Vom Idealbild eines Apfelbaumes, der wenige, aber starke Leittriebe hat und viel Fruchtholz, ist dieser Baum weit entfernt. „Ideal ist ein Wuchs wie eine Tanne, unten breit und oben schmal zulaufend, damit Licht und Sonne durchkommt“, sagt Schmidt und setzt die Astschere an. Scharf beißen die Zangen zu, ein leichtes Knacken und schon fällt der Ast zu Boden. Zu steil war er gewachsen und zu dicht an einem Leitast. „Nur Mut zur Lücke, dem Baum kann nicht viel passieren, außer dass er neue Äste treibt“, sagte Schmidt und zack, fällt der nächste Ast ab. Dann lichtet Schmidt stark verquirltes Fruchtholz aus und empfiehlt, vor allem im Sommer junge überflüssige Triebe mitsamt Auge auszureißen.
Schon wieder ein Schnitt und das Publikum stöhnt auf. „Da bleibt ja fast kein Ast übrig“, sagt ein Besucher erschrocken und der Baumwart schmunzelt. „Wenn ein Apfelbaum gut tragen soll und unsere Bäume bringen es bis zu 100 Äpfel auf einem Baum, muss das Fruchtholz ständig erneuert werden.“ Hat ein alter Fruchtast nämlich mehrmals Äpfel getragen, wird er bis zum Ansatz, wo ein Ersatztrieb sprießt, zurückgeschnitten. So hat man stets junges Tragholz und erspart dem Baum eine radikale Verjüngungskur, die meistens ein bis zwei Jahre Ertragsausfall mit sich bringen. „Wie sieht dann ein Idealbaum aus, der regelmäßig beschnitten wurde“, fragt ungeduldig eine junge Frau und Schmidt führt seine dreißig Zuhörer einige Reihen weiter. Dort steht ein mannshoher, knorriger und knorziger Baum, an dem wenige, aber starke Äste abzweigen. Nur kurz setzt Schmidt seine Astschere an, kürzt hier einen Ast, entfernt dort einige Sprossen. „Der Baum wurde gut beschnitten und wird im Sommer trotz seiner vierzig Jahre gut tragen“, sagt er und tritt zufrieden einige Schritte zurück. Viele Fragen beantwortet Schmidt dann noch, angefangen bei der Düngung bis zur Schädlingsbekämpfung.
Zu Pfingsten, wenn sich die Anlage im Blütenkleid zeigt, werden die Obstbauern zum Blütenfest einladen. Dieses Jahr fällt es mit der Jubiläumsfeier zusammen, denn die Gemeinschaftsobstanlage auf dem Klein-Karbener Hang wird fünfzig Jahre alt.