Bad Vilbel. Viel Lärm um nichts – mit diesen Shakespeare-Worten lässt sich die Sondersitzung der aufgrund von 12 Abgeordnetenunterschriften der Opposition eiligst herbeizitierten Parlamentarier am 11. Januar im Kultur- und Sportforum trefflich zusammenfassen. Nach mehr als zwei Stunden der rhetorischen, oft vehementen, aber zumeist oberflächlichen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf alle Fraktionen gleich mehrfach ihr Mäntelchen vom Rednerpult aus in den Wind gehängt hatten, mündete die Debatte geradezu zwanghaft logisch in die finale Abstimmung über das von der CDU präsentierte Papier (siehe BVA vom 14. Januar, Seite 3), mit dem die Christdemokraten beantragten, die Ergebnisse des Bürgerbegehrens mit mehr als 3500 Unterschriften gegen eine Mediathek auf der Niddabrücke zur Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit dem Hessischen Städte- und Gemeindebund (HSGB) vorzulegen.
Das hätte man zwar schon in den ersten Minuten der Sitzung haben und nach Hause gehen können, da sich aber fast 100 Bürger als Zaungäste eingefunden hatten, lag es nahe, den Saal als Schaukampfarena für Wahlkampfzwecke zu nutzen, statt sich auf den sachlichen Disput zu begrenzen.
Die Debatte eröffnete Rainer Fich, Fraktionsvorsitzender der SPD. Er schilderte die zeitliche Abfolge der Vorgänge und versuchte um die Klippen einer Prüfung des Bürgerbegehrens durch den HSGB zu steuern. Sein Kursziel war es, die Stadtverordnetenversammlung möge ihre eigenen Beschlüsse zum Bebauungsplan mit Mediathekbrücke und Neuer Mitte vom 10. November 2009 einfach aufheben.
Fichs Anliegen verführte ihn sogar zu dem Vorschlag, die zwei Juristen aus dem Rathaus, also Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr und Erster Stadtrat Jörg Frank, sollten das Bürgerbegehren selbst bewerten, damit alles zügiger über die Bühne gehen und über das Bürgerbegehren zugleich mit der Bürgermeisterwahl am 21. Februar abgestimmt werden könne.
Damit rannte Fich keineswegs offene Türen ein, sondern holte sich umgehend Nasenstüber ab. Stöhr und Frank erwiesen sich erwartungsgemäß als Spielverderber, verweigerten die Aufgabe und wollten sich besonnen und freiwillig nicht in die Nesseln setzen. „Wenn wir zu dem Ergebnis kämen, das Bürgerbegehren sei rechtswidrig, würden Sie und die Grünen doch als Erste aufschreien“, brachte der Rathauschef Fraktionschef Fich und seine Anhänger zur Räson.
In seiner Abwägung der gesetzlichen Vorschriften des Paragrafen 8 b der HGO und des Textes des Bürgerbegehrens legte CDU-Fraktionsführer Dr. Josef Maetz sodann die Finger in die Wunden des Bürgerbegehrens und begründete die „schwerwiegenden Rechtsbedenken“ seiner Fraktion, erklärte warum das Bürgerbegehren gleich in mehreren Punkten den gesetzlichen Vorschriften seiner Ansicht nach nicht genüge (siehe ausführlichste Erläuterungen im BVA vom 14. Januar), da es inhaltlich nicht genau den Gegenstand erkläre, vor allem aber keinerlei Finanzierungsalternativen nenne, wie das Gesetz es zwingend vorschreibe. Applaus bekam er für seine nüchterne Analyse nur von der eigenen Fraktion.
Hannelore Rabl schritt sodann für die Grünen in die Arena. Der Mehrheitsfraktion und dem Magistrat knallte sie Beschuldigungen vor die Füße, die sich gewaschen hatten. „Ich dachte, ich lebe in einer Demokratie“ hub sie an, aber Fakt sei, dass in Bad Vilbel eine dumpfe Atmosphäre der Angst und der Repressionen herrsche, Bürger fürchteten sich vor Magistrat und Mehrheitsfraktion und hätten es deshalb nicht gewagt, die Unterschriftenliste gegen eine Büchereibrücke zu unterzeichnen.
Das verschlug dem Bürgermeister um ein Haar die Sprache, aber er behielt die Nerven, als er mit dennoch leicht angehobener Stimme diese Beschuldigungen als unerhörte Unterstellungen und Verunglimpfungen messerscharf zurückwies. Und der Erste Stadtrat Frank forderte umgehend von Rabl Fairness statt Emotionen ein. Die Abgeordnete der Grünen aber paddelte auf Kollisionskurs weiter.
Tobias Utter (CDU) fand „das alles unüberlegt“ und versuchte noch einmal der Vernunft die Saaltür zu öffnen, „für die Zukunft unserer Stadt“ eine Lanze zu brechen. Er analysierte die finanziellen Folgen einer Aufhebung der Stadtverordnetenbeschlüsse, erklärte, dass mit dem Inkrafttreten eines Bebauungsplanes Bürgerrechte geschaffen seien, die man nicht ohne weiteres im Handstreich kassieren könne, etwa durch Aufhebung von Beschlüssen. Er warb dafür, nichts zu überstürzen und stattdessen einer fachmännischen Prüfung des Bürgerbegehrens durch die Experten des HSGB zuzustimmen.
Udo Landgrebe (SPD) dankte den Initiatoren des Bürgerbegehrens ausdrücklich, lobte deren beispielhaften Einsatz und beteuerte, dass auch seine Partei „eine architektonisch interessant gestaltete, bürger- und einkaufsfreundliche Innenstadt“ wünsche, dass man auch die Mediathek befürworte, aber keine auf einer Niddabrücke. Den Entwurf des Münchener Architekten Prof. Fred Angerer nannte er eine „architektonische Verfehlung, und keine Bereicherung“.
Klaus Arabin (SPD) sah der CDU und dem Magistrat jetzt den Wind der Öffentlichkeit ins Gesicht blasen und hielt ihnen vor, die Bürger absichtlich zu diskreditieren. Der Magistrat habe außerdem „Dinge voneinander abhängig gemacht, die uns jetzt handlungsunfähig machen“, kritisierte er und forderte Magistrat und CDU auf, Verantwortung zu übernehmen.
Die Stimmung zum Siedepunkt brachte Ulrich Rabl (Grüne). Mit Fakten hielt er sich gar nicht erst auf, er bediente Abstrakteres, wetterte von „Tiefschlag gegen die Demokratie“, „Verschleppungstaktik ohne Ende“, Inkompetenz und Verhinderungsstrategie.
„Wir vertun hier unsere Zeit“, bemerkte Dr. Maetz fast schon resignierend und versuchte noch einmal, die Diskussion sachlich auf das Bürgerbegehren zu konzentrieren. Es blieb beim Versuch. Zu diesem vorgerückten Zeitpunkt interessierten die Fakten nur noch ganz Wenige. Die Wahlkämpfer behielten einfach die Oberhand. Stöhr und Frank versuchten zwischendurch immer wieder mal Wogen zu glätten, so auch FDP-Fraktionschefin Heike Freund-Hahn, doch große Erfolge waren ihnen dabei keine beschieden.
„Demokratien unterliegen nun einmal Regeln, die haben nicht wir gemacht, die sind aber sinnvoll und haben sich bewährt“, versuchte es noch einmal Rechtsdezernent Jörg Frank. Mit Blick auf die zehn bis 15 Prozent Gegenstimmen betonte er noch, dass vergessen werde, dass auch viele Bürger für die Mediathek seien – rein theoretisch kämen nach Adam Riese 85 Prozent der Wahlberechtigten in Frage.
In diese Richtung zog auch Jens Völker (CDU). Die Initiatoren des Bürgerbegehrens hätten es versäumt, im Vorfeld ihre Hausaufgaben zu machen, konstatierte er, jetzt habe man den Schlamassel, aber wegen 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung werde man doch keine Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung aus den Angeln heben, sagte er.
Nach etlichen weiteren rednerischen Interventionen, die weder Argumente noch neue Standpunkte in die Debatte einführten, gelangte das Parlament endlich auf die Zielgerade. Der Antrag der SPD, die parlamentarischen Novemberbeschlüsse aufzuheben und dem Bürgerbegehren zu folgen, fiel trotz der Befürwortung der Grünen durch den Rost. Der CDU-Antrag wurde daraufhin ohne Gegenstimmen und Enthaltungen unisono angenommen. Fazit: Die Experten des HSGB prüfen jetzt das Bürgerbegehren auf seine Rechtmäßigkeit und Gesetzeskonformität. Danach wird man weiter sehen.