Bad Vilbel. Vierbeiner Sammy wohnt am Waldrand und erkundet gern mal die Umgebung. Lässt er sich dabei von einem Ordnungspolizisten erwischen, wird’s für Frauchen Ursula Keller teuer. „Zweimal hab’ ich schon 75 Euro bezahlt. Und jetzt soll ich 275 Euro zahlen“, empört sich die Besitzerin des Yorkshire-Terriers.
Der Ahornweg, ganz oben am Ende des Erzweges gelegen, ist eine Idylle. Seit 40 Jahren bewohnt Ursula Keller dort ihr Reihenhaus, seit fast elf Jahren leistet ihr Sammy Gesellschaft. Dass er mit ihr aus der Tür läuft, wenn sie kurz hinaus geht, ist er nicht anders gewohnt. „Das kommt öfter vor, weil ich zur Mülltonne ums Haus herum gehen muss“, sagt Keller. Manchmal nimmt Sammy dabei interessante Gerüche auf – ehe man gucken könne, sei er ein Stück in den Wald gelaufen.
Eine Pflicht zur Leine
Doch das verbieten die Gefahrenabwehrverordnungen des Landes Hessen und der Stadt Bad Vilbel. Hunde, die sich ohne Leine unbeaufsichtigt im Wald bewegen, sind nach Ansicht des Landesgesetzgebers eine Gefahr für die Allgemeinheit und insbesondere für wildlebende Tiere. Die Stadt hat darüber hinaus festgelegt, dass Hunde grundsätzlich im Stadtgebiet einschließlich der Grünanlagen, Felder, Wiesen und des Bad Vilbeler Waldes angeleint sein müssen. Flächen, wo sie frei laufen dürfen, sind genau festgelegt.
Der Ahornweg gehört nicht dazu. Deshalb hat Ordnungspolizeibeamter Klaus Zeller 2010 ein Bußgeld von 50 Euro plus 25 Euro Bearbeitungsgebühr gegen Keller verhängt, als ihm Sammy dort unangeleint zwischen den Bäumen hindurch entgegen kam. Dem Umstand, dass die Besitzerin in der Nähe war, sei es zu verdanken gewesen, dass es nicht teurer wurde. Außerdem habe es sich um den ersten Verstoß gehandelt, so Zeller. Als sich die Situation vor etwa einem Jahr wiederholte, musste Keller erneut 75 Euro zahlen. Teurer wurde es, als am 30. März dieses Jahres Sammy unbeaufsichtigt im Wald angetroffen wurde und von Frauchen nichts zu sehen war.
„Mindestens 40 Meter tief im Wald“ war der Terrier nach Zellers Angaben, Keller spricht von „höchstens 20 Meter“. Im Grunde sei es egal, wie weit der Hund in den Wald gelaufen ist, erklärt Matthias Stengel, der Leiter des städtischen Fachbereichs Öffentliche Sicherheit und Ordnung. Ausschlaggebend sei, dass Sammy unbeaufsichtigt und unkontrolliert unterwegs gewesen sei. Dafür sehe die Hessische – nicht etwa nur die Bad Vilbeler – Gefahrenabwehrverordnung ein Regelbußgeld von 500 Euro vor.
Weil es sich um einen anderen Tatbestand gehandelt habe als die zwei Jahre davor, für den die Hundehalterin erstmals zur Rechenschaft gezogen werden musste, schien es Zeller angemessen, nur den halben Regelsatz anzusetzen. „Obwohl die Frau beleidigend geworden ist“, wie er hinzufügt. „Ich hab’ nur gesagt, meine Personalien brauche er ja wohl nicht mehr aufzunehmen. Die habe er ja schon“, verteidigt sich die Frau.
Den Bußgeldbescheid über 250 Euro plus Bearbeitungsgebühr bezahlte sie nicht. Auch die Widerspruchsfrist bis zum 16. Juni ließ sie verstreichen. „Ich habe angeboten, wieder 50 Euro zu zahlen, aber nicht mehr“, sagt Keller. Das reichte offensichtlich nicht. Dem normalen Bußgeldverfahren folgend ging der Bescheid nach Ablauf der Frist an die Amtsanwaltschaft in Frankfurt, die nun bei einem Gerichtstermin klären muss, ob Keller zu bezahlen hat.
Unberechenbarkeit
„Ich weiß, dass der Hund unter normalen Umständen niemanden beißt und kein Wild reißt“, sagt Zeller. Dennoch stecke in jedem Hund ein Stück Unberechenbarkeit. Matthias Stengel verweist auf einen noch nicht so lange zurückliegenden Vorfall. Ein kleiner, bis dahin unauffälliger Mischlingshund entdeckte seinen Jagdtrieb, hetzte ein Reh und verbiss sich. Das Tier musste vom Jäger den Gnadenschuss bekommen. „Die Regeln denkt sich ja niemand aus, um Frau Keller oder andere zu ärgern“, so Stengel, „sondern es gibt böse Erfahrungen, auf die Gesetzgeber und Stadt reagieren müssen. Uns ist es lieber, wenn die Bürger Einsicht zeigen. Es macht keinen Spaß, sich mit Bußgeldbescheiden herumzuschlagen.“ (bep)