Karben. „Die Stimmung ist hochexplosiv.“ Gerade kam in der vorigen Woche Gewerkschafter Bernd Rübsamen aus der Betriebsversammlung des Karbener Werks von Siemens VDO. Dort kündigten die Manager an, 250 der rund 1500 Stellen streichen zu wollen. Reaktion der Mitarbeiter: Entsetzen, Fassungslosigkeit, Wut. Nicht zum ersten Mal streicht Siemens hier Stellen. Diesmal, davon sind die VDO-Mitarbeiter überzeugt, ist es nicht bloß Stellenabbau in Karben. „Es geht jetzt um den gesamten Standort“, schätzt Rübsamen.
Bundesweit sollen knapp 1000 bei VDO wegfallen. „Punktuell“ werde „die Produktion an die Auftragslage angepasst“, hatte Firmensprecher Richard Backhaus bereits angekündigt. Wie massiv das Elektronikwerk des Automobilzulieferers betroffen ist, erfuhren die Mitarbeiter am Nachmittag. „Keiner weiß bisher genau, wer gehen muss“, berichtet Betriebsrätin Christine Fitzner. In der Versammlung sei „deutlich geworden, dass es um mehr als eine Personalreduzierung geht“, sagt Rübsamen. Der Gewerkschafter von der IG Metall erinnert daran, dass im vergangenen Jahr bereits 172 Stellen abgebaut wurden – ohne betriebsbedingte Kündigungen. Jedoch sei das Potenzial von Altersteilzeit und dem Ersetzen von Leiharbeitern durch Festangestellte nun ausgeschöpft. „Damals wurde auch gesagt, dass in den Betriebsjahren 2007 und 2008 die Belegschaft konstant bleiben werde“, weiß der Gewerkschafter noch. Die Folge angesichts des neuerlichen Stellenabbaus: „Der Laden brennt.“
Das scheint verständlich, kommen bei vielen Mitarbeitern doch Existenzängste auf.
Gewerkschafter Rübsamen befürchtet, mit dem „langsamen Sterben“ werde das Werk „platt gemacht“. Es sei erklärtes Ziel von Siemens, vermehrt in Billiglohnländern zu produzieren. Da helfe dem Karbener Werk auch nicht, dass es hochproduktiv arbeite „und sich rechnet“. Zumal VDO derzeit auf den von Siemens geplanten Börsengang der Sparte vorbereitet werde, wo dann Forderungen von Anlegern und Analysten erfüllt werden müssten.
Gerade als langfristige Sicherung des Standortes Karben sieht VDO-Sprecher Backhaus dagegen den Stellenabbau. „Wir müssen so etwas sehr früh beginnen, um möglichst viele Mitarbeiterstellen zu erhalten.“ Die Automobilhersteller zwängen die Zulieferer zu „ständigen Produktionsverbesserungen“. Betriebsbedingte Kündigungen sollten vermieden werden. Eine Standortgarantie abzugeben sei jedoch „unseriös“, sagt Firmensprecher Richard Backhaus.
Auch für die Nachwuchskräfte ist die Situation bei VDO in Karben bedrohlich. Wo einst eine Übernahme nach der erfolgreichen Ausbildung nicht ausgeschlossen war, haben die Azubis nun mit Angst in die Zukunft. (fnp/d)