Bad Vilbel. Wenn die Haschzigarette kreist und Ex-Bühnenstars in ihrer Seniorenresidenz einen abrocken, jubelt das Publikum. In Bad Vilbel hatte die musikalische Komödie »Ewig Jung« Premiere und sorgte für einen mitreißenden Abend in der Burg
Die große Bühne ist bereitet für die alten Herrschaften, die sich mit Krückstock, Rollator und steifer Hüfte zum verordneten Bespaßungsprogramm einfinden. Schwester Vera im weißen Kittel und mit bravem geflochtenem Haarkranz schiebt den Rollstuhl mit Herrn Freund über die Rampe. Herr Reichardt im Brokat-Morgenmantel stolpert in Trippelschritten mit seinem Goldfischglas herbei. Frau Fuchs und Herr Schröpfer lassen sich händchenhaltend auf dem Plüschsofa nieder und die großartige Frau Lubosch im schwarzen Kleid und weißer Stola ruht gravitätisch auf einem Lederstuhl.
Gelangweilte Gesichter reihum, ein Schluck aus der Schnabeltasse und Herr Kilian im Glitzerjacket (gespielt von Jochen Kilian) sitzt am Piano und wartet auf sein Stichwort Das kommt von Schwester Vera (Vera Lorenz), die mit professionellem Elan loslegt und »Wir klatschen in die Hände« anstimmt. Das Kinderlied sorgt für wenig Begeisterung bei den Alten, die pflichtbewusst mit den Armen wedeln und Füßen aufstampfen. Trotzige Stille nach ihrem Abgang, doch dann geht ein Ruck durch die Gesellschaft.
Der Funke springt über
Frau Lubosch (Anette Lubosch) steht auf einmal auf, fängt an zu zählen »One, two, three« und legt los. Nicht mit »Graues Haar, zitternde Hände«, sondern mit I Love Rock ›n’ Roll . Der Funke springt über. Wie elektrisiert klatscht das Publikum mit, während die Alten auf der Bühne den Rhythmus stampfen, die steifen Hüften bewegen und Herr Freund sogar aus dem Rollstuhl hüpft. Als Frau Lubosch dann noch auf den Stuhl klettert und ihre weiße Stola in eine imaginäre Gitarre verwandelt, ist das Publikum hingerissen.
Regisseurin Kathrin Herchenröther hat mit »Ewig Jung« eine skurril-komische Musikrevue über altgewordene ehemalige Schauspielern und Bühnenstars inszeniert. Die Vorlage dafür stammt aus der Feder des Schweizer Autors Erik Gedeon. Er hat vor allem für das Hamburger Thalia Theater seine Songdramen geschrieben, die Kultcharakter haben.
Im Mittelpunkt stehen dabei immer die Songs, die mit Handlungssträngen und kurzen Dialogen verknüpft sind.
Während das Bühnenbild eher etwas karg und schmucklos daher kommt, mit einem liegenden Halbmond vor einem Sternenhimmel, einigen Sitzmöbeln und darüber der glitzernde Schriftzug »Ewig Jung« , sind Ausstattung und Maske aufwendig, fantasiereich und witzig bis in die Details. Denn die im wirklichen Leben weitaus jüngeren Darsteller verwandeln sich – auch dank der Choreografie (Kerstin Ried) – in eine exaltierte Ansammlung von Menschen mit zerknitterten Gesichtern, diversen Gebrechen und Marotten. Aber sie strahlen so viel Lebenslust aus, dass man mit ihnen lacht, mit ihnen trauert über vergangene Jugend und Liebe und mit ihnen rockt und summt und singt.
Berührend Frau Fuchs (Ruth Fuchs) und Herr Schröpfer (Harald Schröpfer) als jung-altes Liebespaar mit den Liedern »Wenn ich gehe, geht ein Teil von mir«. Den Hit »Born to be wild« stimmt Althippie Herr Freund (Felix Freund) an, nachdem er seine Haschzigarette anzündet. Sie wandert von Hand zu Hand, die Stimmung wird immer aufgekratzter und die alten Herrschaften immer mobiler.
Freie Liebe als junge Protestlerin
Sie rocken mit allem, was sie haben, mit Rollator und mit Krückstock und verrenken ihre Glieder wie in jungen Jahren. Dafür gibt es Szenenapplaus ebenso wie für die nicht ganz jugendfreie Erzählung von Frau Lubosch. Gepierct von Lippe zu Lippe sei sie als junge Protestlerin gewesen und freie Liebe habe dazu gehört. »Wir haben gebumst wie die Frösche im Burggraben«. Das bringt Herrn Freund so aus der Fassung, dass er seine hellblaue Senioren-Pudelmütze wegwirft, den Lederhut aufsetzt und einen Country Song aus seiner Hippiezeit anstimmt: »Green green Gras of Home«.
Harmonisch bleibt es nicht immer an diesem Abend, denn Schwester Vera funkt immer wieder dazwischen und provoziert eine Revolte der Senioren. Diese geraten auch untereinander heftig aneinander, was zu wunderbaren Slapstick-Momenten führt. Aber Ende gut – alles Gut. Mit dem Song »I will survive« verabschieden sich die Darsteller.
Weitere Aufführungen im Juni, August und September
Gespielt wird »Ewig Jung« vom 27. bis 30. Juni, vom 19. bis 22. August und ab 5. September bis Ende der Spielzeit am 11. September. Die Abendvorstellungen beginnen jeweils um 20.15 Uhr. Tickets gibt es im Kartenbüro Bad Vilbel, Klaus-Havenstein-Weg 1, Telefonnummer 0610/ 559455, Öffnungszeiten montags bis samstags von 9 bis 20.30 Uhr und sonntags von 10.30 bis 18.30 Uhr, oder über Frankfurt Ticket Rhein Main. (dos)