Hiobsbotschaft für den Reit- und Fahrverein Karben: Er will sein Areal unter Wert von der Stadt kaufen und dann an den Vereinsvorsit- zenden weiterveräußern. Ein Gutachten des hessischen Städtetages stuft das Geschäft rundweg als unzulässig ein.
Karben. In rund einem Monat wird die Reitanlage am Ludwigsbrunnen zum Zentrum der Wetterauer Reiter. Sie tragen hier ihre Meisterschaften in Dressur- und Springen aus. Ein fulminanter Höhepunkt für den Reit- und Fahrverein Karben. Er begeht dieses Jahr seinen 40. Geburtstag.
Feierlaune dürfte derzeit im Verein aber nicht aufkommen. Eines seiner zentralen Projekte scheint gerade zu platzen: die seit Jahren geplante Privatisierung. Der Verein will sein Reitgelände von der Stadt kaufen, aber nur für 100 000 Euro statt des vom Ortsgericht geschätzten Wertes von 374 000 Euro. Reiter-Vorsitzender Thomas Wamser will die Anlage danach für einen symbolischen Euro übernehmen. Rein ehrenamtlich lasse sich der Verein nicht mehr führen, sagt Wamser (die FNP berichtete).
Die Stadtpolitik reagierte äußerst zurückhaltend auf die Idee und fragte beim Städtetag um Rat, ob das Vorgehen rechtens wäre. Die Fachleute kommen nun zu einem deutlichen Ergebnis: Nein. Das formulieren sie auf Seite drei des Gutachtens: „Für den konkreten Fall bedeutet dies, dass ein Verkauf des Grundstücks für 100 000 Euro nicht rechtmäßig wäre.“
Mit der Begründung macht es sich der Städtetag nicht einfach, führt diverse Gesetze und Verordnungen an. So dürfe die Stadt ein Gelände nur dann unter Wert verkaufen, „wenn dies im öffentlichen Interesse liegt“. Der Käufer müsse dann Aufgaben anstelle der Kommune erfüllen und diese entlasten, zum Beispiel in der Jugendarbeit.
„Allerdings ist die Vereinsförderung als solche allein kein legitimer öffentlicher Zweck“, warnen die Experten. Auch müsse dieser Zweck per Vertrag „abgesichert“ werden. Und im Kaufvertrag müsse hinterlegt werden, dass das Areal anderenfalls an die Stadt zurückfalle.
Gegen EU-Recht
Ein klares Nein kommt vom Städtetag auch zur Idee, dass der Reitverein nur als Vehikel dienen soll: „Es ist nicht zulässig, dass der Verein das Grundstück erwirbt und weiterveräußert.“ Das sei auch nicht sinnvoll, weil auch der zweite Erwerber den öffentlichen Zweck erfüllen müsse – und weil zweimal Grunderwerbssteuer bezahlt werden müsse. Die Stadt verkaufe besser gleich an Vereinschef Wamser.
Selbst wenn beide Seiten all diese Hürden nähmen: Rechtens wäre der Handel laut Städtetag noch immer nicht. Denn er widerspräche dem europäischem Recht. „Im konkreten Fall würde der Verkauf zu einer unzulässigen Beihilfe führen“, warnen die Gutachter.
Laufzeit 10 Jahre
Als Beihilfe werten sie den Preisnachlass, den die Stadt dem Verein einräumen würde. Denn den Verein wertet der Städtetag als „Rechtsträger, der am Markt agiert“ – wohl da der Reitverein unter anderem mit dem Vermieten seiner Pferdeboxen als wirtschaftlicher Betrieb auftritt. Damit hat er allein in Karben einige Mitbewerber, die Vergleichbares anbieten.
Deshalb dürfe die Stadt im Sinn der Gleichbehandlung nicht eines der „Unternehmen“ bevorzugen. Das EU-Recht lasse nur zwei Auswege zu: Entweder erbringt der Käufer eben einen öffentlichen Zweck, oder die Stadt verkauft das Gelände für den Wert, den ein unabhängiger Gutachter ermittele – oder in einem „bedingungsfreien Bietverfahren“. Dann dürfte also absolut jeder ein Gebot für die Reitanlage abgeben.
Zu kompliziert? Selbst die Lösung, die Stadtpolitiker dem Verein schon anboten, verwirft der Städtetag: Von einem Pachtvertrag über 99 Jahre rät er grundsätzlich ab und empfiehlt zehn Jahre Laufzeit.
Doch es kommt noch schlimmer: Die Gutachter mahnen, dass „auch die Verpachtung ohne Pachtzins eine grundsätzlich unzulässige Beihilfe darstellt“. Der Reitverein zahlt seit Anbeginn nichts für sein Gelände. Ist damit gar der laufende Pachtvertrag unzulässig?
Vereinschef Wamser sagt: „Ich kenne das Gutachten noch nicht.“ Bürgermeister Guido Rahn (CDU) lehnt auf FNP-Nachfrage jeden Kommentar ab. „Wir prüfen das Gutachten derzeit.“ Rahn: „Im Juni können wir darüber beraten.“ (den)