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Reisewege für Strom – Netzbetreiber baut Umspannwerk Karben für 22,5 Millionen Euro um

Der saubere Strom der Windparks in der Nordsee muss zu den Verbrauchern in Rhein-Main und Süddeutschland gelangen: Darum wird das Umspannwerk Karben umgebaut. Es ist zentrale Verteilstelle für den Strom ins Rhein-Main-Gebiet.

Karben. Seit Monaten wird im Umspannwerk zwischen Rendel und Büdesheim an der B521 kräftig gebaut. Doch was soll dort entstehen? Selbst im Karbener Rathaus zuckt man mit den Schultern.

„Die Pläne haben uns vorgelegen. Es sind eine Reihe von Gutachten erstellt worden, die wir gesehen haben. Ansonsten haben wir kein Mitspracherecht“, erklärte Bürgermeister Guido Rahn (CDU) erst in der jüngsten Sitzung des Ortsbeirats Rendel auf Nachfrage. Dabei ist es ein Großprojekt der niederländischen Firma Tennet, der ein Großteil der Strom-Überlandleitungen in Deutschland gehört. „Der Ausbau und die Modernisierung des Umspannwerkes in Rendel geschieht ausschließlich aus Sicherheitsaspekten“, sagt Betriebsleiter Herbert Blumenstein.

Die Anlage werde nicht technisch erweitert, lediglich in der Fläche vergrößert. Auch würden keine weiteren Transformatoren installiert, wie dies Landwirte auf der Ortsbeiratssitzung noch mutmaßten. Denn die Lüfter des Transformators erzeugen erhebliche Geräusche. „Nein“, versichert Blumenstein, „es bleibt bei dem einen Trafo.“ Geändert werde die Technik, „um noch mehr Sicherheit beim Durchleiten der riesigen Strommengen zu garantieren“.

Damit die Übertragung von Energie aus Windparks in der Nordsee ins Rhein-Main-Gebiet und nach Süddeutschland nicht am Übertragungsnetz scheitert, rüstet Tennet auf. Dazu zählen die 22,5Millionen Euro teuren Arbeiten am Umspannwerk Karben – einer zentralen Verteilstelle im Netz. Auf der Nord-Süd-Achse soll sich der Stromfluss in den nächsten fünf bis zehn Jahren auf etwa sieben Gigawatt verdoppeln. Dafür wird eine stabile und ausfallsichere Übertragung benötigt.

Ersatz für AKWs

Die ist aber nur möglich, wenn die Belastung der Stromkreise auf den 380-Kilovolt-Hauptverbindungen, den so genannten Stromautobahnen, gleichmäßig aufgeteilt ist. Die Umspannwerke dienen dazu, die Strommengen entweder weiterzuleiten oder die Spannung auf 110 Kilovolt für den weiteren Transport in der Region herunterzufahren. Auch gehört es zu ihren Aufgaben, den Strom von regenerativen Anbietern aus Wind- oder Solaranlagen aufzunehmen und ins Netz einzuspeisen. Im Umspannwerk treffen sich also die Leitungen der verschiedenen Spannungsebenen und werden dort miteinander verbunden.

Vom Umspannwerk bringen Mittel- oder Niederspannungsleitungen mit einer Spannung von zehn, 20 oder 30 Kilovolt die Energie in die Städte, wo sie dann ein weiteres Mal mit Hilfe von Transformatoren auf 230Volt heruntergefahren wird – die Spannung in der Steckdose.

Bisher überquerten zwar drei Stromautobahnen das Umspannwerk Karben. Doch nur eine gab ihre Energie an den dort stehenden Transformator ab – und das war die vom Kohlekraftwerk Staudinger in Großkrotzenburg. Nach dem Ausbau ist Rendel dann Knotenpunkt für alle drei Hochspannungsleitungen der Region: Sie führen nach Frankfurt-Südwest, Großkrotzenburg und Gießen.

Außerdem wird das Werk Rendel noch eine weitere Funktion übernehmen: die einer „Blindleistungs-Kompensationsanlage“. Sie dient bei einer erhöhten Einspeisemenge von Solar- und Windstrom dazu, die Stabilität und Betriebssicherheit des Übertragungsnetzes wieder herzustellen. Mit Hilfe dieser Kompensationsanlagen ist es möglich, innerhalb von Sekunden auf Spannungsschwankungen zu reagieren, erklärt Blumenstein.

Bisher wurden diese Schwankungen von Atomkraftwerken ausgeglichen. Nach deren Abschaltungen müssen nun Zug um Zug die neuen Kompensationsanlagen in den umgebauten Umspannwerken diese Aufgabe übernehmen. „Ansonsten kann es leicht passieren, dass ein Hauseigentümer mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach abends beim Einschalten seiner Wohnzimmerbeleuchtung plötzlich 500 Volt in der Leitung vorfindet, die jede Glühbirne explodieren lässt“, erläutert Blumenstein.

Anlage wächst

Mit dem Umbau wird das Umspannwerk Karben erheblich mehr Flächen brauchen. Weil nun alle drei Hochspannungsleitungen in der Rendeler Anlage zusammengeführt werden, seien mehr spannungsführende Elemente auf dem Boden notwendig. „Die benötigen aber zur Isolation großen Abstand voneinander“, sagt der Betriebsleiter. Mit einer Vergrößerung der Bodenfläche mussten Bäume und Büsche beseitigt und durch neue an Rande der B521 ersetzt werden. „Nach Fertigstellung in knapp zwei Jahren wird die Umrandungen mit Büschen und Bäumen wieder hergestellt“, versichert Tennet-Mitarbeiter Markus Lieberknecht.