Der unter anderem für Nidderau, Schöneck und Niederdorfelden zuständige Bundestagsabgeordnete Sascha Raabe (SPD) wirft die Brocken hin. Nicht ganz, aber er gibt einen Posten auf, der bei ihm mit viel Herzblut verbunden ist. Verbunden ist sein Rückzug mit aktuellen Entwicklungen in seiner Partei.
Nidderau. Bis vor ein paar Tagen war er der entwicklungspolitische Sprecher seiner Partei. Doch für dieses Amt steht SPD-Bundestagsabgeordneter Sascha Raabe künftig nicht mehr zur Verfügung.
Er verzichtet aber nicht nur auf seine erneute Kandidatur als entwicklungspolitischer Sprecher, ein Amt, das er seit 2002 zunächst als Stellvertreter und ab 2005 als Sprecher der Arbeitsgruppe Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der SPD-Bundestagsfraktion ausgeübt hat. Sondern er rügt zugleich auch seine eigene Parteispitze.
Hängt nicht an Merkel
Während des Bundestagswahlkampfes und auch noch während der Koalitionsverhandlungen habe er sich stets dafür stark gemacht, dass die Bundesregierung ihr Versprechen, nachdem 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (so genannte ODA-Quote) zur Verfügung gestellt werden soll, einlöst. Dafür habe er auch während der Koalitionsverhandlungen gekämpft. „Wie sich jetzt aber herausstellt, ist für die SPD-Parteiführung Entwicklungspolitik kein sozialdemokratisches Kernanliegen mehr“, erklärt Raabe in seiner schriftlichen Stellungnahme zu seinem Verzicht auf das Sprecheramt.
Ein hochrangiges SPD-Mitglied, das an der entscheidenden letzten Verhandlungsrunde teilgenommen habe, entgegnete ihm auf seine Kritik: „Du kannst den Kollegen ja erklären, dass dafür bei den Kitas gekürzt werden muss. Dein Thema interessiert nur eine kleine Minderheit in Deutschland.“
Weiter berichtet Raabe, dass sich sogar Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgeschlossen gegenüber der Forderung nach mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit gezeigt habe. Mehrheitlich wurde in der SPD-Gruppe aber die Auffassung vertreten, dass das Geld, das Merkel mehr für die Entwicklungspolitik wolle, dann zulasten „unserer Projekte“ wie Bildung ginge.
Dies ging so weit, dass ein Mitglied der SPD-Verhandlungsgruppe sogar dafür plädiert haben soll, dass gar keine zusätzlichen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit im Koalitionsvertrag festgeschrieben werden sollten. Daraufhin habe laut Raabe Angela Merkel interveniert und gesagt, es müsse zumindest genug Geld für eine Annäherung an das 0,7-Prozent-Ziel zur Verfügung gestellt werden.
Er hätte sogar akzeptiert, wenn in der kleinen Runde seine Forderung an Merkel gescheitert wäre und deshalb eben nur zwei Milliarden Euro herausgekommen wären. „Aber mittlerweile weiß ich, dass unsere Forderung nach mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit nicht an Angela Merkel, sondern an der SPD gescheitert ist. Und mit diesem Wissen kann ich für die SPD beziehungsweise für die SPD-Fraktion nicht mehr als Sprecher weitermachen“, zieht Sascha Raabe einen Schlussstrich unter seinen bisherigen Aufgabenbereich.
Dieser Schritt sei ihm sehr schwer gefallen, weil die Entwicklungspolitik seit seiner Jugend sein politisches Lebensthema gewesen sei. Denn solange täglich immer noch mehr als 200000 Menschen an den Folgen von Hunger und Armut sterben würden, gebe es für ihn kein dringenderes politisches Anliegen.
Sich nicht verbiegen
Als er 1996 als Bürgermeister in Rodenbach hauptamtlich in die Politik gegangen sei, war für ihn klar, dass er niemals einen Posten anstreben oder behalten wollte, für den er sich hätte verleugnen oder verbiegen müssen. „Für mich war und ist es wichtig, jeden Morgen mit gutem Gewissen in den Spiegel schauen zu können. Leider wäre mir dies künftig als entwicklungspolitischer Sprecher für die SPD-Bundestagsfraktion nicht mehr möglich“, so der SPD-Politiker.
Denn ansonsten hätte er in den kommenden vier Jahren dem Parlament, denn Bürgern und allen entwicklungspolitisch Interessierten vorgaukeln müssen, dass eine Annäherung an das 0,7-Prozent-Ziel an der CDU gescheitert sei und alles besser gewesen wäre, wenn die SPD so gekonnt hätte wie sie wollte: „Die Darstellung einer solchen Unwahrheit kann ich mit meinem Gewissen aber nicht vereinbaren.“
Auch wenn er von einigen Mitgliedern seiner SPD-Spitze schwer enttäuscht sei, so will er als einfacher Abgeordneter weiterhin im entwicklungspolitischen Ausschuss tätig sein. Vom finanziellen Aspekt abgesehen sei der entwicklungspolitische Teil des Koalitionsvertrages, an dem er mitgearbeitet habe, nämlich inhaltlich ansonsten gelungen.