Karben. Dieses Jahr ist für Petterweil ein besonderes. Denn vor einem halben Jahrhundert wurde der Ort nach Karben eingemeindet und ist heute einer von sieben Stadtteilen. Noch steht wegen Corona nicht fest, wie und wann dieses Jubiläum gefeiert werden soll.
Adolf Koch, langjähriger Ortsvorsteher von Petterweil, der Ende vergangenen Jahres zum Vorsitzenden des Festkomitees gewählt wurde, hat kein leichtes Spiel in Zeiten von Planungsunsicherheit. »Aber ich habe schon eine ganze Reihe von Ideen«, verrät Koch. Die bleiben jedoch noch geheim, bis der Ausschuss sie billigt.
Die Gemeinde Petterweil wurde im Zuge der Gebietsreform in Hessen am 1. August 1972 kraft Landesgesetz mit der Stadt Karben zusammengeschlossen und verlor damit ihre Selbstständigkeit. Immerhin wurde nach dem Zusammenschluss der damalige Bürgermeister von Petterweil, Albert Schäfer, Bürgermeister von ganz Karben. Nach ihm wurde das neu gebaute Bürgerhaus in Petterweil benannt.
Ausgrabungen haben ergeben, dass das Petterweiler Gebiet bereits seit der Jungsteinzeit besiedelt gewesen ist, wobei das Dorf Petterweil in seiner heutigen Form erst um 1400 entstand. Schon im Mittelalter wurden ihm wegen der Teilnahme an den Bauernkriegen seine Privilegien als Dorf aberkannt. Und 1656 wurden in Petterweil sogar mehrere Frauen als Hexen hingerichtet. Im 19. Jahrhundert galt das Dorf als Hochburg der Wetterauer Freiheitsbewegung, Robert Blum hielt eine Rede in Petterweil. Blum war Abgeordneter der Nationalversammlung in Frankfurt in der Paulskirche; er wurde in Wien hingerichtet.
Alternative stand
zur Diskussion
Eine kämpferische Ader scheint Petterweil sich bis in die jüngste Vergangenheit bewahrt zu haben. Denn als die Gebietsreform Anfang der 1970er Jahre anstand, gab es im Ort heftigen Widerstand in den politischen Gremien gegen einen Zusammenschluss mit Karben. Es gab sogar schon eine Alternative mit dem Zusammenschluss der drei Gemeinden Burgholzhausen, Petterweil und Rodheim. »Doch damals konnten sich die amtierenden Bürgermeister der drei Gemeinden nicht einigen, wer die neue Gemeinde anschließend führen soll«, erinnert sich Horst Preisser, der sich intensiv mit der Historie der Gemeinde beschäftigt hat. Dabei gab es bereits gute Gründe für einen derartigen Zusammenschluss, denn in Rodheim gab es eine Mittelpunktschule, zu der die Kinder der drei Gemeinden vom Schulamt Friedberg geschickt wurden.
Erst mit dem Zusammenschluss mit Karben auf Anordnung der Landesregierung änderte sich das, Petterweil erhielt 1974 eine eigene Grundschule. Es folgte 1975 die Sporthalle und seit 1994 verbindet sogar ein Radweg Petterweil mit der Bundesstraße 3. Auch die Bevölkerung in Petterweil hat sich in den Jahren geändert. »Viele ziehen aus der Großstadt hierher. Aber sie kennen das dörfliche Leben nicht, das vor allem auf Gemeinschaft beruht«, weiß Koch, der drei Jahrzehnte lang Ortsvorsteher in Petterweil war.
Von 850 Einwohner im Jahr 1945 ist die Bevölkerung auf über 3300 angewachsen und hat das Dorf verändert. Und deshalb kämen heute etliche Bürger mit der Bitte zu ihm, er solle Nachbarschaftsstreitigkeiten schlichten. »Die Leute sind heute egoistischer geworden«, sagt der fast 80-Jährige. Das habe er früher so nie gekannt.
Suche nach Themen
für Feiern
Die Suche nach Themen für die Jubiläumsfeier oder -feiern wird Koch auf jeden Fall kein Kopfzerbrechen bereiten, denn Petterweil bietet viele Anlässe wie sogar spurlos verschwundene Bauwerke aus längst vergangenen Zeiten wie das untere Tor, an das nur noch eine grüne Informationstafel erinnert.
Von Jürgen W. Niehoff
Protokoll eines Protests
Mitteilung der SPD-Petterweil vom 22. März 1972: Gegen die neuerlichen Pläne des hessischen Innenministers Bielefeld, Petterweil die Selbständigkeit zu nehmen, verwahren sich Vorstand und Gemeindevertreterfraktion der SPD Petterweil ganz entschieden. Petterweil war in der Regionalplanung Untermain als selbstständige Gemeinde mit Eigenentwicklung vorgesehen – und so soll es auch bleiben. Der Absicht des Innenministers, hiervon abzurücken, steht nicht nur ein einstimmiger Gemeindevertreterbeschluss für die Selbständigkeit entgegen, sondern auch der Wunsch der überwiegenden Mehrheit der Einwohnerschaft. Es stünde dem genialen Planer Bielefeld gut an, sich mehr um die Wünsche der Bürger in der betroffenen Gemeinde zu kümmern, als weiter Dinge nur vom Reißbrett aus zu betrachten. (jwn)