In drei offenen Veranstaltungen zur Stadtentwicklung konnten die Karbener Bürger ihre Anregungen, Kritik und Wünsche darlegen. Schwerpunkte der Treffen sind Verkehrskonzepte, soziale Infrastruktur, Natur- und Freizeiträume sowie das städteplanerische Gesamtkonzept. In der letzten Veranstaltung im Bürgerzentrum ging es um die Lebensbereiche Arbeiten, Wohnen und Kultur und um Mobilität.
Karben. Mit dem Ausbau der B 3 und der S-Bahn-Linie 6 werde das in der südlichen Wetterau gelegene Karben zu einem noch begehrteren Wohnort. Neben Bad Nauheim, Butzbach und Bad Vilbel zähle die Stadt heute schon mit über 22 000 Einwohnern zu den größten Kommunen im Wetteraukreis. Prognostiziert würden für die kommenden Jahre etwa 23 500 Einwohner, erläuterte Heiko Heinzel, Fachbereichsleiter Stadtplanung und Verkehr während des dritten und letzten Workshops der Reihe „Karben gemeinsam entwickeln“.
Nicht alle Wünsche und Anregungen könnten realisiert werden, betonte Heinzel. Planungsgrundlage war der vorangegangene Flächennutzungsplan, der selbst wiederum der Zustimmung verschiedener Gremien bedarf, unter anderem der Mitwirkung des Regionalverbandes und der Zustimmung des Regierungspräsidiums Darmstadt. Dennoch bleibe die stadtplanerische Gestaltung weitestgehend bei den Kommunen.
Verkehr besser takten
Einhellig war der Wunsch der Karbener nach einer verbesserten Verkehrsinfrastruktur und innerstädtischen Mobilität. Diskutiert wurde eine Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger und Nutzergruppen sowie eine bessere Vertaktung der Fahrpläne.
Alternativen sollten mitrealisiert werden, so der weitere Ausbau von Radwegen, von Carsharing-Stellplätzen und kommunalen Ladestationen für Elektromobilität. Wünschenswert sei eine bessere Anbindung der sieben Stadtteile mit Kleinbussen an das städtische Zentrum, das selbst wiederum zu einer Achse zum Bahnhof in Gestalt einer Allee mit Geschäften und Cafés fortentwickelt werden soll. „Wir brauchen Orte der Kommunikation, mehr öffentliche Kultur und keine Durchgangsstraßen“, fand eine Teilnehmerin.
Diese Idee wurde schon einmal vor wenigen Jahren von dem Okarbener Architekten Karl Otto Kasper vorweggenommen, der einen lebendigen Boulevard hierfür vorgesehen hatte. „Das aber kam so nie ernsthaft ins Gespräch“, sagte er und stellte seine Planung erneut zur Diskussion. Der Wunsch nach einem geschlossenen Zentrum oder einer Stadtmitte analog einem innerstädtischen Marktplatz sei für Karben aus historischen Gegebenheiten nicht realisierbar, erklärte Heinzel. „Karben hat keinen Marktplatz wie zum Beispiel Butzbach.“ Karl Pfeil vom ADFC Karben sah die „Lebensqualität nicht als Verkehrsplanung“, sondern „als Mobilitätsvernetzung mit ökologischen, sozialen und ökonomischen Strukturen.“
Der Verbrauch an Verkehrsflächen, zunehmender Lärm und Umweltbelastung haben laut Pfeil ihre Grenzen überschritten. Was mit dem Ausbau der B 3 und der Nordumgehung als Entlastung dargestellt werde, kritisierte ein Teilnehmer, „wird am B 3-Knoten in Kloppenheim zu einem Problem.“
Postämter schließen
Stetes und leidiges Thema wie in den Veranstaltungen zuvor war die Nahversorgung. Dieses Mal geriet die Privatisierung der Post in die Kritik. „Wir haben heute sieben verschiedene Zusteller in einem Stadtteil, aber kein einziges Postamt mehr“, monierte ein Teilnehmer. Das Gleiche gelte für die Sparkasse. E-Mails und Online-Banking seien besonders für ältere Mitbürger eine Herausforderung.
Die digitale Vernetzung verändere zugleich die Arbeitsplatzsituation, mithin die Verkehrswege der Berufstätigen. Es entstünden neue und mobile Arbeitsplätze, die nicht mehr an Standorte gebunden seien. Eine Entwicklung fortschreitender Globalisierung, „die auch vor Karben nicht halt macht“, betonte ein Teilnehmer – und die Wohnraumsituation sowie die Mieten mit beeinflusse.
Die Wohnraum- und Mietpreisentwicklung Karbens sei eng mit der Entwicklung der Metropolregion Rhein-Main verknüpft. Derzeit liege der durchschnittliche Mietpreis bei 9,11 Euro pro Quadratmeter, rechnete ein Teilnehmer vor. Die Bodenrichtwerte bei den Immobilien lägen in Karben zwischen 290 Euro und 360 Euro pro Quadratmeter, sagte Heinzel. Auf dem freien Markt würden die Preise nach oben schießen. So seien 800 Euro zwischenzeitlich möglich, schließt sich Karben an das Preisniveau in Bad Vilbel an.