„Es war doch nur eine kleine Lüge“, habe ich letztens in einer Diskussion gehört. Was, bitteschön, ist denn eine kleine Lüge? Was eine große und was überhaupt eine Lüge?
Ist das in Zeiten von „fake news“ oder „alternativen Fakten“ eine Frage der Interpretation? Ich ärgere mich in letzter Zeit zunehmend über den Umgang mit der Wahrheit. Es gibt fast immer mehrere Sichtweisen, aber das darf doch keine Ausrede sein, um sich Tatsachen hinzubiegen, wie es gerade passt.
Das scheint „gesellschaftsfähig“ zu werden, und besonders kritisch finde ich es bei Menschen, die Macht haben und Vorbildfunktion haben sollten. Vielleicht fallen Ihnen jetzt auch dieselben mächtigen Männer ein wie mir. In einer Gesellschaft, in der man munter lügen kann, verliert man das Vertrauen zueinander. Das ist aber eine Grundlage unseres Zusammenlebens.
Relativ neu sind vermutlich die Geschwindigkeit und die Dimension, durch die man Fakten manipulieren und Lügen verbreiten kann. Nicht neu ist aber, dass wir Menschen lügen, ausweichen oder manipulieren. Die Bibel erzählt einige Geschichten davon.
Der Brudermord von Kain an Abel begann mit Neid und Lügen und endete mit Mord und Vertreibung. Darum gibt es das 8. Gebot, dass man nicht lügen soll, oder so ähnlich. Martin Luther übersetzt: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“ Darunter stelle ich mir vor: etwas sagen oder verbreiten, was meinem Nächsten schadet, oder Gerüchte weitergeben, von denen ich nicht weiß, ob sie stimmen. Dagegen setzt die Bibel das Wissen, dass wir unser Zusammenleben auf Vertrauen gründen und dazu die Wahrheit brauchen.
Genau dafür möchte ich mich stark machen, denn wir können ganz schön viel für die Wahrheit tun. Wir können prüfen, was wir sagen (oder posten, oder twittern) und zwar bevor wir das sagen oder schreiben. Manches können wir uns und anderen damit bestimmt ersparen.
Wir können das auch bei anderen hinterfragen. Fragen wie: „Warst du dabei? Von wem weißt du das denn?“ können ganz schön viel Verlegenheit auslösen und vielleicht eine Lüge stoppen. Außerdem können (und sollten) wir Lügen, Halbwahrheiten oder Verdrehtes nicht schweigend hinnehmen, sondern benennen. Es wäre doch klasse, wenn sich immer mehr von uns auf diese Weise für die Wahrheit einsetzen. Ach, und wo ich gerade dabei bin: „Alternative Fakten“ sind meistens einfach nur Lügen.
Pfarrerin Ulrike Mey,
Ev. Christuskirchengemeinde
Bad Vilbel