Die evangelische Kirche will die unter Denkmalschutz stehende, renovierungsbedürftige Oberburg in Burg-Gräfenrode überraschend verkaufen. Einen Interessenten dafür gibt es schon: den Groß-Karbener Schlossherrn Philipp von Leonhardi.
Karben. Die Oberburg gehört zu den Wahrzeichen des kleinsten Karbener Stadtteils Burg-Gräfenrode. Das denkmalgeschützte Objekt ist seit 161 Jahren im Eigentum der Kirche. Bis zu den vergangenen Sommerferien tobten dort die Mädchen und Jungen der evangelischen Kindertagesstätte. Doch als die Behörden die weitere Nutzung der Burg wegen der defekten Elektrik verboten, waren evangelische Kirchengemeinde und Stadt aufgeschreckt.
Die Kita ist bis zum Neubau im Bindweidgraben nun in der ehemaligen Stadtteilbücherei untergebracht (diese Zeitung berichtete). „Das war für uns Anlass, darüber nachzudenken, wie es mit dem Gebäude weitergeht“, sagt Volkhard Guth, der Chef des evangelischen Dekanates Wetterau.
Inzwischen hat der Kirchenvorstand, gebilligt vom Dekanat, entschieden: Die Oberburg wird verkauft. Die Gründe erläuterten Dekan Guth, Pfarrer Eckart Dautenheimer und die stellvertretende Kirchenvorstandsvorsitzende Ina Lauster-Ulrich. Eine erste Schätzung, die defekte Elektrik im Gebäude zu ersetzen, laute auf 282 000 Euro. Hinzu wären die Renovierung von einer Wohnung, Badezimmer und Küche gekommen.
„Dann wäre die Kirchengemeinde blank gewesen“, sagte Ina Lauster-Ulrich. Dekan Guth stimmte dem Verkauf zu. Angesichts zurückgehender Mitgliederzahlen müsse die Amtskirche darüber nachdenken, wofür sie Geld noch einsetze. „Wir setzen es lieber für die Menschen statt für Immobilien ein.“
Ein Interessent, der die Oberburg und das gesamte 6700 Quadratmeter große Gelände kaufen will, hat sich bereits gefunden: Der Groß-Karbener Schlossherr Philipp von Leonhardi will zuschlagen und mit seiner Verlobten die Burg renovieren und dort einziehen.
Dass sich der CDU-Politiker aus dem Nachbarort dort engagiert, kommt nicht von ungefähr: Seit 17 Jahren ist er Kirchenpatron der Kirchengemeinde. Als solcher ist er nicht nur Vertrauensperson, sondern bestimmt beispielsweise über die Pfarrstellenbesetzung mit. Auch in dieser Funktion hat er intensiv über die Zukunft der Oberburg mitdiskutiert. Wie von Leonhardi sagte, trage er für einen historischen Ort Verantwortung. „Zudem bin ich auf der Suche nach einem neuen Wohnort.“
Wiese ist zu mieten
Der Groß-Karbener, der den dortigen Schlosshof bereits für diverse Veranstaltungen und das „Kuhtelier“ geöffnet hat, will auch in Burg-Gräfenrode „für eine öffentliche Nutzung sorgen“. Das Weinfest werde es weiterhin geben, auch Vereine könnten mit Ideen kommen, verspricht von Leonhardi.
Das von ihm kürzlich im Kirchenvorstand vorgestellte Konzept sieht vor, dass die Kirchengemeinde weiter einen Raum im Erdgeschoss nutzen könne. Die Wohnungen im zweiten und dritten Obergeschoss sollten bestehen bleiben. Er selbst, der mögliche Käufer, wolle mit seiner Verlobten ins erste Obergeschoss einziehen.
Von Leonhardi, der bis 2016 ehrenamtlicher Stadtrat in Karben war, versicherte, dass er kein Interesse daran habe, dass die große Wiese hinter der Oberburg bebaut werde. Die Stadt werde dort den geplanten Spielplatz errichten können. „Es ist lediglich eine Frage der Vertragsgestaltung.“ Die Stadt könnte den Teil der Wiese, den sie der Kirchengemeinde ursprünglich abkaufen wollte, dann mieten. „Und das für einen langen Zeitraum von 30 Jahren“, sagt von Leonhardi.
Der Kirchenvorstand hat in diesen Tagen ein Wertgutachten in Auftrag gegeben, das in sechs bis acht Wochen vorliegen soll. Dann will sich der Vorstand mit dem Kaufinteressenten und dem Dekan zusammensetzen und über den Burgkauf konkret verhandeln.