Das Sehen, Hören und Lesen von Nachrichten gehört für viele von uns zum Leben wie das tägliche Brot. Jedoch, was fangen wir mit all diesen Nachrichten an? Wie nehmen wir sie zur Kenntnis? Was denken wir uns dabei? Und: Zu was bewegen sie uns? Die ständigen Schreckensnachrichten über Dürren und Hungersnöte in Afrika, Terroranschläge und Kriegshandlungen im Vorderen Orient haben das Elend der Zivilbevölkerung zur Folge. Und die Flucht von Hunderttausenden.
Mich bringen diese Nachrichten in ein nachdrückliches Fragen. In welcher Zeit leben wir eigentlich? Welche Veränderungen finden regional und global statt, die keinen von uns unverändert lassen (können)?
Die Flüchtlingskrise ist eben keine Momentaufnahme, sondern markiert das Ende einer Epoche. So lese ich es in einer Wochenzeitung. Die Autoren beschreiben nüchtern, gleichwohl mit einem dramatischen Unterton: Der reiche Westen hat bisher einseitig unter der Globalisierung profitiert. Wir verkauften weltweit unsere Produkte (einschließlich der Milliardengeschäfte mit Waffen) und erlangten dadurch einen unvorstellbaren Wohlstand. Nun dreht sich gewissermaßen die Globalisierung um. Und die Ärmeren der Welt kommen zu uns.
Ja, es ist verständlich, wenn wir wünschen, es möge alles so bleiben, wie es war. Die Wirklichkeit der Verhältnisse läuft hingegen faktisch in eine andere Richtung. Wir ahnen es. Und manche wissen es genau. Wir werden uns ernsthaft mit dem Teilen unseres Wohlstandes beschäftigen müssen. Das macht, menschlich wiederum verständlich, Angst. Darin stecken bleiben, macht mir persönlich aber noch mehr Angst.
Geschichte bewegt sich bekanntlich ausschließlich nach vorne. Die Rückwärtsgerichteten werden so oder so auf der Strecke bleiben. Und ich stelle mir an dieser Stelle noch einmal ganz bewusst die Frage: Wie nehme ich als Christ die Nachrichten wahr? Ich behaupte: Diejenigen, die sich mit völkischen Abschottungsparolen vor den Flüchtlingsbewegungen abgrenzen wollen, verteidigen nicht das sogenannte christliche Abendland respektive die christlichen Werte, sondern verraten sie.
Wenn Christus sagt: In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden (Joh. 16,33), dann lese ich im großen Zusammenhang des Neuen Testaments nicht: Überlasst die Welt sich selbst. Nein, der große Trost liegt gerade in der Ermutigung, mit Christus eine neue, andere Sicht auf diese Welt zu erhalten, die nichts mit Gleichgültigkeit, sondern mit Barmherzigkeit, nichts mit Hass, sondern mit Liebe, nichts mit „Immer-mehr-haben-Wollen“, sondern mehr mit Geben und Teilen zu tun hat.
Ich denke: Ein neuer großer Auftrag kommt durch diese „evangelische“ Sicht uns allen zu: Bringt Christus, seine Worte und Werte zur Sprache und ermutigt zu Schritten, die den Frieden, die Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung fördern.
Pfarrer Matthias Gärtner,
Ev. Kirchengemeinde Dortelweil