Fortschritte bei Kurhaus-Sanierung • Bürgerbüro und die Tourist-Info ziehen ins Erdgeschoss
Bad Vilbel. Während vielerorts die Arbeiten wegen der Corona-Pandemie geruht haben, sind sie auf der größten Baustelle in Bad Vilbel ungebremst weitergegangen. Das Resultat: Ein Teil der neuen Kurhaus-Fenster ist eingebaut. Das Besondere daran: Sie ähneln ihren historischen Vorbildern.
Sowohl von der Kasseler Straße als auch vom Schwarzen Weg her und erst Recht aus dem Kurpark heraus blicken die Bad Vilbeler und die Besucher der Stadt derzeit auf eine Großbaustelle. Dort wird bekanntlich die neue Stadthalle gebaut und zeitgleich das Kurhaus komplett saniert. Die neue Veranstaltungshalle ist mächtig in die Höhe gewachsen, von zwei Seiten her reckt sich ein gewaltiger Betonkörper in die Höhe. Aber demnächst soll alles gefälliger aussehen, denn die neuen Fassadenplatten für die Halle sind schon ausgesucht.
Gleich daneben haben die Bad Vilbeler Stadtwerke, die Bauherrin für die beiden Gebäude sind, eine andere Entscheidung längst getroffen. Die nämlich für die Fenster, die in dem für die Bad Vilbeler so wichtigen und mit vielen Emotionen verbundenen ehemaligen Volkshaus eingebaut werden. Denn die ersten Exemplare, zur Kurparkseite hin, sind schon montiert worden.
»Das ist natürlich alles Maßanfertigung«, zeigt Stadtwerke-Geschäftsführer Klaus Minkel auf die neuen Fenster. Auffällig ist bei den hohen Exemplaren die Mischung aus senkrechten und waagerechten Bereichen. »Auf einem ganz alten Foto, das Herr Kunzmann im Stadtarchiv gefunden hat, sehen die Fenster genauso aus.« Sie hätten dem Stil der Zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts entsprochen. »Genauso wollten wir die Fenster des restaurierten Kurhauses wiederherstellen«, berichtet Minkel.
Doppelverglasung
Auf der Architektenzeichnung sind diese besonderen Fenster gut zu erkennen: Im unteren Bereich gibt es vier annähernd quadratische Scheiben, immer zwei nebeneinander und zwei übereinander, dann kommt eine durchgehende rechteckige Scheibe, dann wieder zwei quadratische und so weiter. Es gibt sechs solche hohen Fenster für den großen Saal, links und rechts daneben jeweils drei deutlich kleinere, fast quadratisch wirkende Fenster mit vier gleich großen Scheiben.
Im Erdgeschoss sehen die Fenster anders aus, einige davon sind gleichfalls schon eingebaut. Sie bestehen aus zwölf gleich großen rechteckigen Scheiben. Die Größen der Fenster mit Metallstreben reichen von 1,15 Meter mal 5,40 Meter bis zu 4,40 Meter mal 2,40 Meter.
Eine Firma hat die Fenster zwar nach der alten Fotografie angefertigt, aber »natürlich nach heutigem technischen Standard«, informiert Minkel. Sprich: Doppelverglasung, Einbruchsschutz und lange Haltbarkeit. Insgesamt haben die Stadtwerke 65 Fenster für das Kurhaus bestellt. Der Auftrag, ist nicht ganz günstig. Brutto 433 000 Euro schlagen dafür zu Buche.
Denkmalamt redet mit: Auch an anderen Stellen in dem ehemaligen Volkshaus wird kräftig gewerkelt. Alles ist entkernt, so mancher Holzbalken freigelegt worden. Apropos freigelegt: Auch die Deckenmalereien im großen Saal sind gut zu erkennen. Dabei handelt es sich um die sogenannte Rabitz-Decke. Geschäftsführer Minkel sagt, dass diese Decke eigentlich ein Fake sei. Normalerweise werde eine solche Decke so konstruiert, dass sich das Gewölbe von selbst trägt. Da das hier aber nicht massiv sei, hänge die Decke an mehr als 1000 Eisenstäben. Diese Konstruktion des ehemaligen Berliner Baumeisters müsse die Stadt voll erhalten, nennt Minkel eine Auflage des Landesdenkmalamtes.
Allerdings sei es schade, dass diese Auflage gemacht wurde. Denn die ursprüngliche Idee sei gewesen, in die bestehende Decke die Technik einzubauen und dann die Deckenzeichnungen wieder auf die neu eingezogene Zwischendecke aufzubringen. Während das Kreisdenkmalamt damit einverstanden gewesen sei, habe das Landesdenkmalamt ein solches Vorgehen abgelehnt. »Nun werden wir die Rabitz-Decke zwar erhalten, aber eine Zwischendecke für die Technik einziehen.« Zuletzt werde die Deckenmalerei also nicht mehr zu sehen sein.
Das Spektakuläre wäre dann verloren, denn der große Saal des Kurhauses soll ein Veranstaltungsraum bleiben, der später einmal teilbar sein soll.
Ins Erdgeschoss soll das vorübergehend in die Frankfurter Straße umgesiedelte Bürgerbüro wieder einziehen sowie neu dann das Tourismus-Büro der Stadt.
Das sanierte Kurhaus wird mit der neuen großen Veranstaltungshalle verbunden, von der Niddaseite her mittels einer vollverglasten Orangerie, von innen her ebenfalls. Die Wand der früheren Glasveranda des Kurhauses ist für diesen Zweck bereits durchbrochen worden.
Die Sanierung des Kurhauses wird nach Schätzung des Geschäftsführers bis Ende 2021 dauern. Also noch knapp anderthalb Jahre. Dann erhalten die Vilbeler wieder »ihr« Kurhaus zurück – für rund 20 Millionen Euro aufwendig restauriert und mit der neuesten Technik ausgestattet.
Keine Degradierung zum Foyer
Die neue Stadthalle, die Sanierung des Kurhauses und die Verbindung beider Gebäude mittels Orangerie ist eine Idee des Stuttgarter Architektenbüros Vielmo. Dieses hatte sich wie sieben weitere Büros und Architekten im Rahmen eines Wettbewerbs beworben. Sowohl die Stadtverordneten als auch die Bürger konnten sich ein Bild von den Entwürfen machen. Letztlich entschied sich das Parlament für das »Jahrhundertprojekt« (so Klaus Minkel), das jetzt im Kurpark umgesetzt wird. Selbst die SPD-Opposition erteilte dem Projekt seinen Segen. Das denkmalgeschützte Kurhaus werde behutsam saniert; im Gesamtbild werde die historische Bedeutung der Architektur des ehemaligen Volkshauses angemessen berücksichtigt. Das Kurhaus werde nicht zum Foyer der neuen Stadthalle degradiert und behalte seinen eigenständigen Charakter. (pe)