Butzbach/Bad Vilbel. Einen nicht alltäglichen Besuch absolvierte Hessens liberaler Justizminister Jörg-Uwe Hahn an Heiligabend in der Justizvollzugsanstalt Butzbach. Der Bad Vilbeler Politiker wollte sich damit bei den Gefängnis-Bediensteten bedanken, die an den Feiertagen ihren Dienst in der Justizvollzugsanstalt (JVA) leisten mussten. Die 526 Gefangenen, die derzeit ihre Strafe im Butzbacher Gefängnis verbüßen, müssen auch an solchen Tagen betreut und bewacht werden. „Weihnachten ist auch für unsere Gefangenen eine sensible Angelegenheit“, berichtet die wachhabende Justizvollzugbeamtin Kira Port dem Minister. Deshalb seien die Freistunden, in denen die Gefangenen ihre Zellen verlassen und sich gegenseitig auf ihrer Etage besuchen dürfen, länger als sonst.
Für die beiden Geistlichen Tobias Müller-Ronning und Georg Menke, die die Gefangenen in der Anstalt betreuen, stellt sich das Weihnachtsfest deshalb auch als besondere Herausforderung dar. Sie müssen den Gefangenen nämlich nicht nur die christliche Botschaft vermitteln, sondern ihnen auch bei der Überwindung der kritischen Phase des Alleinseins am 24. Dezember helfen, wenn in den Wohnzimmern überall die Kerzen an den Weihnachtsbäumen angezündet werden und die Familien gemeinsam das Fest feiern. „Ich werde ihnen erzählen, dass Christus auch in ärmliche Verhältnisse hinein geboren wurde und dass sie ihr Aufenthalt in einem Gefängnis nicht von der Rückbesinnung auf sich selbst abhalten soll“, sagt der katholische Pfarrer Georg Menke.
Ein Drittel der Gefangenen besucht an solchen Feiertagen gewöhnlich die beiden christlichen Gottesdienste. Darunter übrigens auch viele Moslems. „In der zweiten und dritten Generation der nach Deutschland gezogenen Moslems ist der Glauben an den Islam nicht mehr ganz so stark wie noch bei ihren Eltern“, berichtet der protestantische Pfarrer Müller-Ronning. Auch wenn den Moslems jeweils an den Freitagen die Gelegenheit geboten wird, ihrem eigenen Glauben in gemeinsamen Gebetsstunden nachzugehen, so kämen doch mittlerweile viele von ihnen auch in die christlichen Andachten.
Wenn dabei vielleicht auch nicht bei allen die religiösen Motive ganz oben anstehen, so freuen sich beide Pfarrer doch über den regen Zuspruch. „Mit mehreren Gottesdiensten, zusätzlicher Freizeit und weiteren Beschäftigungsangeboten versuchen wir, viel Zeit mit den Gefangenen gemeinsam zu verbringen. Denn nur so können wir ihnen helfen, die Feiertage so schnell wie möglich vorbeigehen zu lassen“, erklärt Anstaltleiter Jörg-Peter Linke. Das dient zum einen, um möglichen Aggressionen während der Feiertage zuvorzukommen, zum anderen dient es aber auch der Resozialisierung der Gefangenen. Deshalb schmückten die Häftlinge beispielsweise auch die Weihnachtsbäume auf ihren Etagen selber, um anschließend den schönsten Baum in der Anstalt küren zu können. Der Justizbeamte Hermann Beinoch erläutert, man versuche auch mit solchen Aktionen die Gefangenen auf ein geordnetes Leben in Freiheit vorzubereiten.
In der Anstaltsküche, die sich an diesem Weihnachtstag gegen 13 Uhr schon wieder spiegelblank und menschenleer darbietet, kann sich der Minister abschließend noch von der Güte des Mittagessens überzeugen. „Die Gefangenen erhalten an Sonn- und Feiertagen schon am Vormittag ihr Abendbrot und gegen 11.30 Uhr dann ihr Mittagessen, da wir an solchen Tagen die Schicht mit weniger Personal fahren“, erklärt Küchenchef Helmut Bob die leere Küche um diese Uhrzeit. Üblicherweise arbeiten an einem normalen Wochentag tags und nachts über 61 Bedienstete in der JVA Butzbach. An Feiertagen dagegen sind es nur knapp 20. Möglich mache dies auch die moderne Überwachungstechnik mit vielen Kameras in den Fluren und auf den Höfen, auf die der Sicherheitschef Alfred Görlach besonders stolz ist. „Unseren Augen entgeht so heute fast nichts mehr.“