Bad Vilbel. Die Stimmung in der Dortelweiler Hohemarkstraße ist typisch herbstlich. Durch die Dunkelheit huschen flinken Fußes noch einige Menschen von der Arbeit oder vom Einkaufen nach Hause. Es herrscht nasskaltes Nieselwetter.
Nur ein paar Menschen wissen, dass in diesem Moment ein Countdown angelaufen ist. Stadtbrandinspektor Karlheinz Moll hat um 18.30 Uhr Alarm gegeben.
Gefahr durch »kreative Heizquellen«
Binnen acht bis zehn Minuten verwandelt sich die Tristesse an der Ecke Hohemarkstraße/Oberurseler Straße in ein Blaulicht-Spektakel. Im Keller des Eckhauses ist ein Brand ausgebrochen, der auf die obere Etage übergreift. Menschenleben sind in Gefahr. Von allen Seiten rasen Feuerwehrfahrzeuge heran. Im allgemeinen Tohuwabohu geht es für die Einsatzkräfte aus Dortelweil und anderen Stadtteilen darum, einen klaren Kopf zu bewahren und Erlerntes abzurufen.
Karlheinz Moll hat das Übungsszenario bewusst gewählt. Der Brand sei durch den unsachgemäßen Gebrauch einer offenen Feuerstelle entstanden, erklärt er. Daraus könnten sich im Nu Brände entwickeln und Menschenleben in Gefahr geraten.
Eine Situation, die während der Energiekrise wahrscheinlich häufiger vorkommen dürfte. »Kreative Heizquellen müssen in jedem Fall vom Schornsteinfeger abgenommen werden«, mahnt Moll. »Alte Kamine und Heizungssysteme sind Gefahrenquellen, auf die man ein Auge haben muss. Lagerfeuer, wie wir sie schon in Häusern gesehen haben, gehen gar nicht.«
In diesem Augenblick ertönt aus dem stark rauchenden Gebäude ein lauter Schlag. »Im echten Einsatz könnte das die Gasleitung oder ein explosiver Gegenstand gewesen sein«, sagt der Stadtbrandinspektor. »Heute war es aber nur ein von uns gezündeter Knallkörper.« Währenddessen läuft die Suche nach Personen im Gebäude auf Hochtouren. Nach und nach werden drei menschenähnliche Puppen aus dem Haus zum Erstversorgungsplatz gebracht. Im Ernstfall würden die Opfer dort vom gleichzeitig alarmierten Rettungsdienst übernommen. Für Aufregung sorgt zwischendurch ein Atemschutznotfall unter den Einsatzkräften. Ein scheinbar kollabierter Kamerad braucht dringend Hilfe. So etwas sei im Einsatz immer möglich, sagen die Feuerwehrleute vor Ort.
Karlheinz Moll streut bei Übungen öfters solche Extra-Situationen ein. Er nennt das »den Druck erhöhen«. Plötzlich tritt ein ganz neues Szenario ein: Ihm sei schlecht geworden, teilt er dem Dortelweiler Wehrführer mit. Der rutscht damit nach den hierarchischen Vorgaben in die Position des Einsatzleiters, weil der stellvertretende Stadtbrandinspektor Josef Achmann gleichzeitig als Übungsleiter fungiert.
Moll zeigt sich mit der Lösung aller gestellten Aufgaben zufrieden. Die Anordnung der Fahrzeuge vor dem Grundstück sei perfekt gewesen. »Es war genug Platz, und die Drehleiter konnte ohne Probleme zum Einsatz kommen. Das Übungsziel ist in jeder Hinsicht erreicht worden«, resümiert er. Um 21.30 Uhr, nach dem Aufräumen, ist die Übung beendet.
Ein Wort des Dankes richtet Moll an Hauseigentümer Andreas Plück. Er habe das kurz vor dem Abbruch stehende Gebäude für die Feuerwehrübung bereitgestellt.
Von Jürgen Schenk