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Mehr Mut zur Wildnis

Wachsen und wachsen lassen: hohe Buchen im Bad Vilbeler Wald. Foto: Grunenberg
Wachsen und wachsen lassen: hohe Buchen im Bad Vilbeler Wald. Foto: Grunenberg

Vortrag zu den ökologischen Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald

Bad Vilbel. Was macht der Klimawandel mit unserem Wald, und vor allem, wie können wir einer negativen Entwicklung entgegenwirken? Darum ging es bei der Veranstaltung des Arbeitskreises Bad Vilbeler Stadtwald im Kultur- und Sportforum Dortelweil.
Kurz bevor die neu ins Leben gerufene Umweltkommission, ihre Arbeit aufnimmt, hat der Arbeitskreis zu drei Veranstaltungen rund um den Wald aufgerufen. Bei der ersten Veranstaltung ging es um die ökologischen Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald. Wie verstärkt der Mensch die negative Entwicklung, wie kann er sie mindern – so lautete die zentrale Frage des Abends.
Als Referentin hatte der Arbeitskreis die Forstwissenschaftlerin Loretta Leinen eingeladen. Sie begann mit der Beschreibung des aktuellen Zustands des Waldes. Da fast alle wissenschaftlichen Prognosen von weiterem Anstieg von Hitzewellen, Starkregen- und Hochwasserereignissen ausgehen, müsse alles versucht werden, um eine Reduktion des so schädlichen CO2 zu erreichen.

Eingriffe so behutsam wie möglich
»Aber nicht der Wald ist durch den Klimawandel besonders gefährdet, sondern der Mensch. Denn der Wald passt sich an wie auch schon in den vielen Jahrtausenden zuvor. Der Mensch hingegen kann das in dem Maße nicht«, konstatierte Leinen. Durch Menschenhand sei der Wald geschädigt worden beispielsweise durch die Anlage von Monokulturen. Um den Wald vor weiteren Schäden zu schützen, müsse der Mensch seinen Umgang mit dem Wald ändern. Das Zauberwort hierfür sei »naturnaher Wald«.

Momentan seien 47,6 Prozent des deutschen Waldes naturfern. Monokulturen seien bedenklich. Nur 29,5 Prozent bezeichnete Leinen als naturnah und lediglich 0,2 Prozent als geschützten alten Baumbestand. Und das müsse sich rasch ändern. Als Beispiel nannte Leinen die naturnahen Waldbewirtschaftungen in Lübeck und Göttingen. Die orientierten sich an den natürlichen Prozessen der Natur und zwar am jeweiligen Standort. Denn jeder Standort hat unterschiedliche Boden- und klimatische Voraussetzungen. Für die naturnahe Waldbewirtschaftung gelten deshalb die Prinzipien, die Prozesse so wenig wie möglich zu stören. »Die Natur ist der beste Förster«, so Leinen, »vorausgesetzt, man lässt ihr Zeit«.

So könne durch eine naturnahe, an Eingriffe arme Forstwirtschaft die Klimaleistung des Waldes ausgebaut werden. Im Idealfall können dann die Wälder jährlich doppelt so viel CO2 aus der Atmosphäre binden. Allein durch weniger Einschlag in den waldreichen Ländern Europas könnten Millionen Tonnen CO2 jährlich gebunden werden. In Deutschland allein bis zu 48 Millionen Tonnen CO2, die zusätzlich bei ökologischer Bewirtschaftung im Holz und in der Erde darunter gebunden werden – dies entspreche etwa der Hälfte des jährlichen CO2-Ausstoßes aller Pkw in Deutschland.

Unter dem Strich höhere Erträge
Ökologische Bewirtschaftung, also den Wald sich selber zu überlassen, bedeute aber nicht, auf jeglichen Holzverkauf zu verzichten, so Leinen. Nur der Verkauf geschehe dann anders. Es würde nicht mehr ganze Wälder abgeschlagen und vermarktet, sondern nur noch ausgewählte Bäume. Da die dann wesentlich dicker wären und damit auch mehr Holz böten, würde der Waldbesitzer unterm Strich höhere Erträge erzielen und die Waldwirtschaft damit auch ökonomisch interessant machen. «Aber bis dahin muss erst einmal viel Zeit vergehen. Der Wald muss wachsen und altern dürfen.«

»Mehr Mut zur Wildnis neben der Zivilisation und mehr Vertrauen in die natürlichen Prozesse«, das forderte Leinen zum Abschluss ihres Vortrages. Sodann beantwortete sie noch Fragen aus dem Publikum. Beispielsweise, ob Bäume aus fernen Ländern, wie etwa die Douglasie nicht die abgestorbenen Fichten ersetzen könnten? Ihre Antwort: »Diese fremden Bäume gehören nicht hier her. Denn auch ein Baum braucht seine gewohnte Umgebung«.

Veranstaltungen

Der Arbeitskreis Bad Vilbeler Stadtwald wurde im Dezember 2020 gegründet, nachdem im Bad Vilbeler Stadtwald viel Bäume gefällt worden waren. Eine der Forderungen war die Bildung einer Umweltkommission.  Zuvor richtet der Arbeitskreis noch drei Veranstaltungen zum Thema Wald im Klimawandel aus. Die Veranstaltungen finden im Kultur- und Sportforum in Dortelweil statt. Am 22. Oktober berichtet der Waldbesitzer Klaus Borger über seine Erfahrungen mit schonender Waldpflege. Und am 26. November spricht Jörg Nitsch über die aktuelle Situation der Wälder in Hessen. (jwn)