Bad Vilbel. Den Lehrerinnen an der Dortelweiler Regenbogenschule reicht es jetzt. Sie weigern sich, weiter in den acht Klassenräumen des zehn Jahre alten Schulanbaues zu unterrichten. Dort werden wegen fehlenden Lärmschutzes Werte von mehr als 80 Dezibel erzielt.
Gesellige Gespräche, Musik – all das bereitet Christine Tschauner schon lange keinen Spaß mehr. Die Grundschullehrerin, die ihre Brötchen an der Regenbogenschule im Stadtteil Dortelweil verdient, klagt bereits seit längerer Zeit über ein pfeifendes Geräusch im Ohr und Kopfschmerzen. Dass sie damit nicht alleine steht, erfuhr sie im Gespräch mit Kolleginnen.
Die Frauen wagen sich nur noch mit Ohrenstöpseln in den Unterricht. Sie finden, dass „die Schüler immer unkonzentrierter geworden sind“. Als Grund machen sie eine nicht fachgerechte, abgehängte Gipsdecke ohne brauchbaren Schallschutz in sämtlichen acht Klassenräumen des knapp zehn Jahre alten Anbaus aus.
Dort fällt einem Besucher sofort die Hellhörigkeit auf. Laute Geräusche erzeugen einen deutlichen Nachhall. Besonders hohe Töne erscheinen überproportional laut. Gestern reichte es dem Kollegium. Während einer Schulkonferenz weigerten sich acht Lehrerinnen, bei der Klassenraumverteilung im neuen Schuljahr die lauten Räume weiter zu nutzen.
Dort sind auf Initiative der Schule vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie Messungen erfolgt. Dabei sei herausgekommen, dass die Werte mit mehr als 80 Dezibel signifikant über dem Toleranzbereich lägen, teilte die Leiterin der Schule, Hanne Mühle, mit. Das habe „katastrophale Auswirkungen auch auf die Kinder“, sagt sie. Sie seien beim Lernen sehr beeinträchtigt. Eigentlich sei derzeit nur noch althergebrachter Frontalunterricht möglich, ergänzt Tschauner. Die Arbeit in Gruppen sei wegen des Lärms ausgeschlossen. Die Kinder klagten bereits über Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen. Bereits das Rascheln beim Seitenumblättern in Büchern sei sehr störend. Besonders schwer hätten es die ohnehin wahrnehmungsgestörten Schüler mit ADHS-Syndrom, „für die ist das heftig“, sagt Lehrerin Jutta Zinke. Der Wetteraukreis habe zunächst versucht, der Stadt als Erbauer des Gebäudes die Schuld zuzuschieben und mittlerweile geplant, die Räume in den Herbstferien zu sanieren, berichtet Mühle.
Das ist den Lehrerinnen aber zu viel, sie müssten dann noch weitere acht Wochen in dem Lärm unterrichten. Christine Tschauner will das nicht mitmachen. Sie werde sich beim HNO-Arzt melden und sich dort attestieren lassen, dass sie wegen der Belastung dort nicht mehr unterrichten könne. Die stellvertretende Elternbeirätin Bettina Reimer unterstützt den Protest – auch wenn dies zu Unterrichtsausfällen führen könnte. Jutta Zinke sagt, sie arbeite mit Ohrenstöpseln, „aber es dürfen keine sein, mit denen man gar nichts mehr hört“, sagt sie mit Blick auf ihre Schüler.
Beim Wetteraukreis reagiert man auf die Klage mit Verwunderung. Die Gebäude seien schon etwa zehn Jahre alt, doch habe man von den Klagen erst am 2. Dezember 2009 nach dem Ergebnis der Messungen erfahren, teilt Kreis-Pressesprecherin Petra Schnelzer mit. Konkrete Maßnahmen seien erst am 21. Dezember in einer Besprechung mit Schuldezernent Helmut Betschel-Pflügel (Grüne) geplant worden. Zu diesem Zeitpunkt aber sei sowohl der Haushalt 2010 schon fertig gewesen, auch die Mittel von 58 Millionen Euro aus dem Sonderinvestitionsprogramm seien schon verplant gewesen. Der Kreis habe zuvor bei den Schulen nach eventuellem Sanierungsbedarf gefragt, so Schnelzer. Die Regenbogenschule habe jedoch nur den Bedarf für eine Mensa angemeldet. Dadurch seien zwei Probleme entstanden: die Sanierung noch in dem Haushalt unterzubringen – und sie angesichts der Vielzahl bereits geplanter und angefangener Bauvorhaben mit einzubinden. Deshalb könne frühestens in den Herbstferien eine Schallisolierung realisiert werden, betont die Kreis-Sprecherin auf Anfrage.