Veröffentlicht am

Mauern überwinden

Das Wort zum Sonntag

Pfarrer Bresst
Pfarrer Bresst

Der 13. August 1961 ist für viele Menschen bis heute ein denkwürdiger Tag. Von einem Tag auf den anderen wurde das Leben für Millionen Menschen tiefgreifend durchschnitten. An jenem Tag wurde eine 160 Kilometer lange Mauer um West-Berlin errichtet. Sie spaltete die Stadt, trennte Arbeiter von ihren Betrieben, Kinder von ihren Eltern, Freunden und Nachbarn. An dieser schwer gesicherten Grenze wurde über Jahre gebaut. Provisorische Stacheldrahtsperren wichen einem tief gestaffelten Sperrsystem aus Mauern, Metallzäunen, Signaldrähten und Todesstreifen mit Wachtürmen. Als „Berliner Mauer“ erlangte sie traurige Berühmtheit. Bis heute weiß man von 86 Menschen, die bei dem Versuch sie zu überwinden, getötet wurden.

Reinhard Mey hat in seinem Lied „Mein Berlin“ das Lebensgefühl mit der Mauer wiedergegeben: „Wie oft hab ich mir die Sehnsucht, wie oft meinen Verstand, wie oft hab ich mir den Kopf an dieser Mauer eingerannt. Wie oft bin ich dran verzweifelt, wie oft stand ich sprachlos da, wie oft hab’ ich sie geseh’n, bis ich sie schließlich nicht mehr sah!“ In jenen Mauerjahren erhielt ein Bibelvers besondere Aufmerksamkeit: „Mit dir, mein Gott, erstürme ich Schutzwälle, mit dir springe ich über Mauern.“ (Psalm 18,30) Für die einen war er zum Schmunzeln, für die DDR-Offiziellen ein Ärgernis und für andere eine Quelle der Hoffnung.

Für viele wurde er ein Zuspruch, in der äußeren Beschränkung nicht auch noch die innere Freiheit zu verlieren. In dem Glauben an diesen Gott hatten sie die Hoffnung, diese unmenschliche Mauer zu überwinden. Für mich, der ich mit der Mauer groß geworden bin, war sie ein unumstößliches Faktum. Jeglicher Glaube – ob nun von West oder Ost, dass diese Mauer überwunden werden könnte, hielt ich für Träumerei abseits einer mit Beton und Waffengewalt geschaffenen Realität.

Ich bewundere bis heute, dass Menschen wie ein Christian Führer Anfang der 80er Jahre zu montäglichen Friedensgebeten einluden. Getragen von der Hoffnung auf den Gott, mit den man Mauern überspringen kann. Und tatsächlich wurden diese Mauer und das System, welches sie benötigte, friedlich überwunden. Ein Stasi-General konstatierte später: „Wir waren auf alles vorbereitet. Nur nicht auf Kerzen und Gebete.“ Sie haben den Gott unterschätzt, der einen über Mauern springen lässt. Egal welche Mauern Ihr Leben einengen, ich wünsche Ihnen die Hoffnung und die Zuversicht aus diesem kleinen Bibelvers. Die Hoffnung und deren Erfüllung, die der Gott verspricht, der uns über Mauern springen lässt.

Ihr Pastor Clemens Breest

Freie ev. Gemeinde Bad Vilbel