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Mal nachdenklich, mal komisch

Umjubelter Auftritt in der Wasserburg: Katharina Thalbach. Foto: Inge Schneider
Umjubelter Auftritt in der Wasserburg: Katharina Thalbach. Foto: Inge Schneider

Bad Vilbel. Mit stehendem Beifall und Jubelrufen hat das Publikum der Bad Vilbeler Burgfestspiele am Sonntag die Schauspielerin Katharina Thalbach und ihre Lesung »Mord in der Uckermark« gefeiert.
Eineinhalb Stunden lang hatte die vielseitige Rezitatorin Katharina Thalbach ihre Zuhörer in den nur scheinbar beschaulichen Landstrich entführt, in dem Ex-Kanzlerin Angela Merkel gemeinsam mit Ehemann Joachim »Puffel« Sauer, ihrem Mops »Helmut« und dem zartbesaiteten Bodyguard Mike ihren Ruhestand verbringt. Doch Nichtstun ist so gar nicht die Sache der früher viel beschäftigten Regierungschefin. Und so mutiert »Mutti« nach englischem Vorbild zu »Miss Merkel« und zieht ab sofort spannende Kriminalfälle an wie Motten das Licht. Miss Merkel: Mord in der Uckermark« wurde 2023 mit Katharina Thalbach und Thorsten Merten in der Hauptrollen verfilmt, Vorlage war der gleichnamige Roman von David Safier aus dem Jahr 2021, dem bereits die Bände »Mord auf dem Friedhof« und »Mord auf hoher See« gefolgt sind.
Gefühlvolles
Annähern

Wie im Film, so näherte sich Thalbach dem berühmten Vorbild auch während ihrer Lesung einfühlsam, authentisch, humorvoll und mit feinem Gespür für die Stärken und kleinen Schwächen der Ex-Kanzlerin, die mit unbestechlichem Scharfsinn in ihren ersten Fall steuert: Gleich zwei Todesfälle, beides dem ersten Anschein nach Selbstmorde, erschüttern das Städtchen Klein-Freudenstadt.
Freiherr Philip von Baugenwitz wird während eines Mittelalterfestes vergiftet in einem von innen verriegelten Weinkeller, einem ehemaligen Schlossverlies, gefunden. Nur wenig später stürzt sich seine alkoholkranke zweite Ehefrau Alexa vom Kirchturm der Kleinstadt. Welcher Zusammenhang besteht zwischen den beiden Todesfällen?
Handelt es sich wirklich um Selbstmorde, wer hätte gegebenenfalls ein Tatmotiv – und vor allem: Was bedeutet das kleine »a«, das der sterbende Freiherr mit letzter Kraft auf ein Stück Papier kritzelte? Begleitet von ihrem liebenden, ein wenig farblosen und unbedarften Ehemann, begibt sich Miss Merkel auf die Suche, wobei sie weder vor Obduktionen noch vor düsteren Geheimgängen und gut frequentierten Ehebetten zurückschreckt, nebenbei ihre Umgebung mit selbst gebackenem Butterkuchen versorgt, Hündchen »Helmut« Kunststücke beibringt und im Zweifelsfall natürlich die geliebte »Raute« anwendet, um sich zu erden.
Mit Verve und großer Wandelbarkeit, mal deftig und drastisch, dann wieder nachdenklich, ironisch und komisch zeichnete Katharina Thalbach die Charaktere, sodass man sie förmlich auf der Bühne zu sehen glaubte: Die unbeirrbare Miss Merkel samt Ehemann, Bodyguard Mike, der sich in Polizistin Lena verliebt, den Freiherrn bei seinem kurzen, vor Selbstbewusstsein strotzenden Auftritt als Schlossherr in mittelalterlicher Rüstung, seine beiden Ehefrauen und Stieftochter Pia mit den blau gefärbten Punkhaaren, ihres Zeichens gut verdienende Influencerin auf Youtube, sowie den großspurigen amerikanischen Elektrobauer und Investor, der ein begehrliches Auge auf Schloss Baugenwitz samt seiner champagnersüchtigen Hausherrin geworfen hat.
Publikum feiert
Katharina Thalbach

Weder überraschende Affären noch Familienintrigen oder ein lustloser Kommissar Hartmut Hannemann können Miss Merkel bremsen, und so endete die mitreißende Lesung mit einem Parforceritt unter einem geheimnisvollen Pfeilhagel und einer Ex-Kanzlerin, die »bis zum zweiten Blazerknopf« im Brackwasser steht und ihr nahes Ende erwartet. »Was für ein Cliffhanger – jetzt muss man sich wirklich das Buch kaufen, um zu erfahren, wer der Mörder ist. Inzwischen glaubt man die handelnden Personen ja alle zu kennen«, stellten die Zuhörer fest, nachdem sie die fröhlich winkende Katharina Thalbach begeistert gefeiert und mehrmals zurück auf die Bühne geholt hatten.
Von Inge Schneider