Burgfestspiele: Scharfzüngige Wortgefechte setzen Akzente bei Shakespeares »Viel Lärm um nichts«
Bad Vilbel. Liebe und Lüge, Intrige und Ironie, Erotik und Esprit: Die Premiere der Shakespeare-Komödie »Viel Lärm um nichts« bei den Bad Vilbeler Burgfestspielen erfüllte alle im Vorfeld von Regisseurin Milena Paulovics und Dramaturgin Ruth Schröfel geweckten Erwartungen.
Schon um 1600 vom Meister des englischen Theaters als äußerst komplexes Verwirrspiel um gleich drei Liebespaare, ein zerstrittenes Bruder-Duo, eine unschuldig scheintote Braut und ein tolpatschiges Gerichtsdienerteam angelegt, toppte die zeitgemäße Neuinszenierung die Vorlage noch durch die Aktualisierung von Wortwitz, die Hinzunahme von Songs sowie ausgefeilten Kampfchoreografien.
Schießerei und Maskenball
Schon die Ankunft des Prinzen von Aragonien, Don Pedro (Steffen Weixler), und seiner heldenhaften Edelleute Benedikt (Florian Thunemann) und Claudio (Mario Neumann) in der Residenz des Gouverneurs Leonato von Messina (Andreas Krämer) wird von einer perfekt dargebotenen Schießerei in dunklen Gassen eingeleitet, die auf kommende Konflikte und Verwicklungen hindeutet.
Allein per Beleuchtung und mobilen Fassadenelementen verwandelt sich die Szenerie in einen mit Szenenapplaus bedachten höfischen Maskenball samt ausdrucksstarkem Wassergetier – eine weitere Verschachtelung im Vexierspiel zwischen Suchen, Verlieren und Finden, Verbergen und Aufdecken, Konflikt und Versöhnung.
Während die Liebesgeschichte um Edelmann Claudio und die schöne Gouverneurstochter Hero (Virginia V. Hartmann) vor allem durch die böswilligen Machenschaften des Prinzenbruders Don John (Friedemann Eckert) und seines Dieners Borachio (Tobias Gondolf) an tödlicher Brisanz gewinnt, erobern der Ehemann Benedikt und seine Hassliebe, die Gouverneursnichte Beatrice (Alice von Lindenau), die Sympathie des Publikums auf Anhieb durch ihre scharfzüngigen Wortgefechte.
Dabei übernehmen beide gleichberechtigt den Part des starken und unabhängigen Individuums – in der Urfassung Ausdruck des selbstbestimmten Lebensgefühls der Renaissance – das nicht im entferntesten daran denkt, sich der Liebe und somit einem Partner zu ergeben. Offene und zielführende Erotik gibt es dagegen beim dritten Paar, Don Johns Diener Borachio und Heros Kammerzofe Margaret (Britta Hübel), die sich nicht zu schade ist, mittels einer Perücke ihre Herrin zu mimen und deren Lebensglück zu gefährden. Das Motiv der unschuldig beschuldigten und somit in den Scheintod getriebenen Braut hatte in der Renaissance ebenso Hochkultur wie das komödientaugliche Intrigenspiel in höfischen Kreisen und nicht zuletzt auch das virtuose Wortgefecht.
Akzente durch effektvolle Songs
Konterkariert wird dessen Brillanz durch den furiosen Auftritt der drei Polizisten Sexton, Sealcoal und Dogberry (in Doppelrollen: Friedemann Eckert und Britta Hübel, hinzu: Peter Albers). In einer genialen Parodie auf hilflose Staatsdiener und Gesetzhüter ergeht sich das Trio in der Technik des Malapropismus: der Verwendung ähnlich klingender, aber auf gänzlich unterschiedliche Bedeutungen zielenden Wörter, die man in England bezeichnenderweise auch als »Dogberrys« bezeichnet. Kostprobe gefällig? »Bei meinem Gips, er soll aus dem Verstand fallen. Hast du keine Verachtung vor dem Alter, du Infamist? Widerstand ist taktlos, dir werde ich schon noch Rezept beibringen!«
Neben den wunderbar choreographierten Kampfszenen sorgen die sparsam, aber effektvoll eingesetzten Songs für zusätzliche Akzente und Atempausen im turbulenten Geschehen. Mit »Don’t stop me now« (Queen), performt von Don John, »Ti amo« als genial-dramatisches Duett von Don Pedro und Claudio, »Mad World« als melancholischer Trauergesang der geprellten Braut Hero und »Only you« als Reuelied des Claudio ging das Konzept der musikalischen Leitung perfekt auf. Ohne das Gesamtstück zum Musical werden zu lassen, überhöhten diese Elemente die Handlung und wurden vom Publikum mit viel Beifall bedacht. Von Shakespeares fünf Akten auf zwei gestrafft, verging die Aufführung wie im Fluge.
Krönender Abschluss mit Überraschung
Krönender Abschluss: »Viel Lärm um nichts« endet so fulminant, wie es begann, nämlich nicht mit Happy End und Hochzeit, sondern mit einer … (kommen Sie selbst in die Burg und lassen sich überraschen).
Langandauernder, begeisterter Schlussapplaus belohnte die Schauspieler für eine glanzvolle Leistung und Festspielintendant Claus Günther Kunzmann für seine Entscheidung, auch in diesem Sommer Shakespeares zeitlosen Komödien ihren verdienten Platz zu geben.
Von Inge Schneider
Einführungsgespräche zu acht weiteren Vorstellungen im August
ugust stehen insgesamt weitere acht Vorstellungen von »Viel Lärm um nichts« auf dem Spielplan, die nächste am Donnerstag, 4. August. Zu allen werden für Besucherinnen undBesucher rund 30-minütige Einführungsgespräche angeboten. Jeweils um 19 Uhr (sonntags 17 Uhr) im Kulturzentrum Alte Mühle (nur 4 Gehminuten vom Eingang zur Burg) erfahren die Interessenten Informationen zum Hintergrund des Stückes und zur aktuellen Inszenierung.
Weitere Informationen zu allen Inszenierungen der Burgfestspiele und zu Kartenbuchungen unter www.kultur-bad-vilbel.de. (hir)
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