Karben. Landrat Joachim Arnold (SPD) macht Ernst: Karben soll künftig Straßenbeiträge von seinen Bürgern kassieren, fordert der Chef der Kommunalaufsicht. Deshalb kippt er nun den Beschluss des Parlaments vom August 2008 zur Abschaffung der dafür nötigen Satzung. Arnold findet, die Stadt sei wegen ihres defizitären Haushaltes verpflichtet, diese Beiträge zu erheben.
Bloß: In den 20 Jahren ihres Bestehens war die Satzung niemals angewendet worden. Sie sah vor, dass die Grundstücksbesitzer 25 bis 75 Prozent der Kosten für die Sanierung der Straße vor ihrer Haustür zahlen sollten – je nach Wichtigkeit der Straße.
Weil diese Regelung zwei Jahrzehnte lang nicht angewendet wurde, stimmten auch alle Parlamentarier der Streichung der Satzung zu. Daraufhin hatte Arnold im November die Karbener mit einem allgemeinen Schreiben vorgewarnt (wir berichteten). Als diese nicht reagierten, greift die Aufsichtsbehörde nun also durch.
„Das kann man keinem Bürger klarmachen“, ist der Vorsitzende des Infrastrukturausschusses, CDU-Fraktionsvize Guido Rahn, aufgebracht. Die Beanstandung sei mit ihrer Begründung „äußerst merkwürdig“. Denn nachdem die Satzung 20 Jahre lang nicht angewendet worden sei, solle man nun die Bürger zur Kasse bitten.
„Wie sollen wir das den Rendelern oder den Menschen in der Taunusstraße in Kloppenheim erklären, dass sie für ihre Straße zahlen sollen, während die Anwohner in Okarben oder in Burg-Gräfenrode nichts zahlen mussten?“, fragt Guido Rahn. Im Sinn der Gerechtigkeit habe sich das Parlament entschieden, dass niemand zahlen solle.
Dies sei nicht der Grund für das Kippen des Beschlusses, sagt der Sprecher der Kommunalaufsicht, Michael Elsass. Es gehe ums Grundsätzliche. „Bei der aktuellen Haushaltslage in Karben müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, um Einnahmen zu generieren.“ Da seien Straßenbeiträge eben ein Mittel.
Beifall dafür kommt von den Karbener Grünen. „Die Koalition verschenkt Gelder, die dringend notwendig sind“, sagt Fraktionschef Gerrit Rippen. Wenn der Straßenbau aus dem allgemeinen Haushalt finanziert werde, fehle das Geld an anderer Stelle. Deshalb hatten die Grünen vorvergangenes Jahr gefordert, dass die Satzung endlich angewendet werden solle. „Wir halten die Satzung nach wie vor für nötig“, sagt Rippen. „Der Karbener Haushalt sieht ja nicht so aus, als ob wir es reichlich hätten.“ Dass die Grünen im August für das Abschaffen der Satzung stimmten, sei pragmatisch gewesen, findet Rippen. „Besser gar keine Satzung als eine, die nicht angewendet wird.“
Warum aber schritt die Kommunalaufsicht in den Jahren nicht ein, als in Karben gebaut wurde und gleichzeitig der Schuldenberg wuchs? „Uns hat die Stadt immer mitgeteilt, dass das Baumaßnahmen seien, die die Bedingungen nicht erfüllen, um die Satzung anzuwenden“, erklärt Elsass. Die Kommunalaufsicht müsse sich auf die Angaben der Kommunen verlassen.
Dass die Behörde ausgerechnet jetzt eingreift, erklärt sie in ihrer Verfügung: „Wenn der Haushaltsausgleich gefährdet ist, ist das Gebot, Entgelte für kommunale Leistungen zu erheben, wichtiger als die Vertretbarkeit.“ Den sieht die Kommunalaufsicht als gefährdet an, weil sie das aus der Finanzabteilung der Stadt erfuhr. Dort rechne man mit einem beträchtlichen Defizit und dass die Stadt dafür neue Kredite aufnehmen muss.
„Das wollen wir doch gar nicht“, entgegnet Stadtverordnetenvorsteherin Ingrid Lenz (CDU). Längst hätten Vertreter der Koalition angekündigt, auch 2009 wieder ohne neue Kredite auskommen zu wollen. Natürlich basiere die Annahme der Kommunalaufsicht auf dem Etat-Entwurf von Bürgermeister Roland Schulz (SPD) mit dem geplanten Minus von 6,7 Millionen Euro. „Was im Parlament aber verabschiedet wird, ist eine andere Sache“, erinnert die Parlamentschefin. In den vergangenen beiden Jahren hatten CDU, FWG und FDP den Entwurf massiv umgestrickt.
Der Beschluss, die Satzung zu streichen, sei gefallen, als Karben „vollkommen geordnete Verhältnisse und in den nächsten Jahren keine Darlehen geplant“ habe, erinnert Guido Rahn. Das bleibe auch weiterhin das Ziel. Die Koalition wolle prüfen, ob sie gegen die Verfügung des Landrats vorgeht. „Wir werden sie sicher nicht kommentarlos hinnehmen.“ Um das weitere Vorgehen zu beraten, will Lenz den Ältestenrat zusammenrufen. (den)