Nidderau. „Schmiererei war gestern, heute machen wir Kunst“, begrüßten der 21-jährige Kunststudent Max Geisler und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Josha die 20 Jugendliche im Alter von zwölf bis 14 Jahren im „Blauhaus“, dem Windecker Jugendzentrum, Anfang letzter Woche.
Sechs Tage lang wollten sie den Jugendlichen sieben Stunden täglich beibringen, dass Graffiti nicht nur aus den simplen „Tags“ bestehen, den Markenzeichen der Sprayer, mit denen diese ihre Graffiti unterzeichnen, sondern auch aus echter Kunst. „Wobei Kunst von Können und nicht von Schmieren abgeleitet wird“, versucht Max den Jugendlichen die Schwierigkeit des Sprayens klarzumachen.
„Das scheint meine Mutter ebenfalls gewusst zu haben“, berichtet die 13-jährige Lea. Denn die habe von dem Ferienkurs der Stadt erfahren und ihr die Teilnahme sofort vorgeschlagen. Die 12-jährige Marie hatte dagegen einen handfesten Grund, weshalb sie ihre Eltern zur Teilnahme am Graffiti-Kurs überredete: Sie will eine Wand in ihrem Kinderzimmer mit einem Graffito verschönern und sucht deshalb erste Anleitungen bei dem Brüderpaar aus Schöneck.
Die haben das Sprayen im jugendlichen Alter von 13 Jahren begonnen. „Ich habe zuerst mit dem Malen angenfangen, ganz normal mit Pinsel und Farbe auf Papier“, erinnert sich Max. Dann habe er sich zusammen mit seinem Freund einen Teil der elterlichen Garagenwand vorgenommen. „Erst heimlich. Aber als unsere Sprayerei auch noch gut aussah, durften wir dann die ganze Wand bearbeiten.“
Anleitungen habe er nie bekommen, sagt Max. Sein Motto sei „Learning by Doing“ gewesen, er habe sich nach und nach an immer größeren Flächen versucht. Sein längstes Werk ist inzwischen eine Mauer von über 60 Metern Länge.
Einmal sei er beim heimlichen Sprayen überrascht worden, seither versuche er sich nur noch auf dafür ausgewiesenen Flächen. Als „Halls of Fame“ werden sie bezeichnet und werden zumeist von Privatpersonen oder Firmen den Graffitikünstlern zur Verfügung gestellt. „Der Vorteil dieser Halls of Fame ist, dass an ihnen großformatige, konzeptionell erarbeitete Graffiti aufgesprüht werden, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion beim illegalen Versprühen nicht möglich wären“, erklärt Max.
Als Beispiel nennt er Bad Vilbel, wo an mehreren Stellen der Stadt das Graffiti-Sprayen ausdrücklich erwünscht ist. Auch wenn er zwischenzeitlich schon seine eigene Stilrichtung entwickelt hat und sein Tag „brouser 64“ in der Szene einiges gilt, so will er das Graffiti-Sprayer nur als Hobby betreiben. „Ich studiere visuelle Kommunikation und da speziell die Malerei. Damit möchte ich mir später auch meinen Lebensunterhalt als freier Künstler verdienen“, sagt Max.
Auch sein Bruder Josha, dessen größtes Werk bisher die Bahnhofsunterführung in Windecken ist, will nicht bei der Spraydose bleiben: „Aufträge zum Sprayen nehme ich jederzeit entgegen. Aber mein Berufsziel geht in eine andere Richtung.“ Er macht zurzeit eine Lehre als Silberschmied in Hanau. Danach möchte er Gestaltung und Design studieren, um danach wieder zur Schmiedewerkstatt zurückzukehren. „Das Anfertigen von Schmuck macht Riesenspaß.“ Spaß machte die Woche mit den beiden ambitionierten Graffiti-Künstlern auch den Jugendlichen.
„Mein erstes selbst gespraytes Bild nehme ich mit nach Hause und hänge es mir im Zimmer auf“, versprach die 13-jährige Sarah.