Die japanische Stadt Ichinoseki ist einigen Bad Vilbelern seit einem japanischen Besuch 2011 ein Begriff. Manchen so sehr, dass sie versuchen, eine offizielle Städtepartnerschaft in die Wege zu leiten. Im August steht ein Besuch von Vilbelern in Japan an. Der BVA schaute sich bereits vorher dort um und stellt die Stadt schon mal vor.
Bad Vilbel. Mit gut 300 Stundenkilometern prescht der japanische Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen durch das nördliche Japan. Von Norden aus nähern wir uns Ichinoseki, der eventuell künftigen Partnerstadt Bad Vilbels. Manches hier in der Präfektur Iwate erinnert an die Wetterau, anderes überhaupt nicht.
Das ansonsten gebirgige Japan öffnet sich gut zehn Minuten vor der Ankunft, lässt zwischen Küste und den Bergen am Horizont Platz für ertragreiche Felder. Und doch ist alles kleinteiliger, jeder Quadratmeter wird genutzt. Die Ankunft in Ichinoseki ist für japanische Verhältnisse typisch. Die Schönheiten der Stadt werden erst auf den zweiten Blick sichtbar, rund um den Bahnhof steht Funktionalität im Vordergrund.
125000 Einwohner
Auf dem Vorplatz erwartet uns eine Delegation zum Empfang. Der Terminplan ist straff, doch ein Kennenlernen beim Essen muss schon sein. Schnell geht es zum Restaurant „Shochiku“ wenige Meter weiter. Das ist kein Zufall, denn Betreiber Yuji Hosokama war ebenfalls schon in Bad Vilbel zu Gast, als Mitspieler im Musical-Ensemble Hiraizumi, benannt nach einer 8000-Seelen-Gemeinde, die zur für japanische Verhältnisse eher kleinen 125000-Einwohner-Stadt Ichinoseki gehört. Dort hatte sich das Ensemble gegründet, um ein Kloster in Hiraizumi bei der (erfolgreichen) Bewerbung als Unesco-Weltkulturerbe zu fördern. Doch auch sonst hat die Stadt noch einiges zu bieten, etwa die Genbikei-Schlucht.
Das Ensemble hatte einen Gastauftritt bei der deutsch-japanischen Woche in Frankfurt. Nach dem verheerenden Erdbeben und dem Tsunami in Japan im April 2011 sucht die Bad Vilbeler FDP Kontakt nach Japan. Und stieß auf Toyoei Shigeeda, damals japanischer Generalkonsul in Frankfurt. Der stellte gleich Kontakte her, vor allem zum Ersten Stadtrat Jörg Frank (CDU), ermöglichte die Aufführung einer 23-minütigen Kurzversion des 100-minütigen Hiraizumi-Musicals „Over the Golden Sunset“ im Kulturforum Dortelweil. Das Eis war gebrochen, nach Versammlungen in Bad Vilbel war klar, dass die Quellenstadt sich nun ernsthaft um eine Partnerschaft bemühen wird.
Bier und Würste
Doch was für Leute leben in dem für die Region wichtigen Wirtschaftsstandort, der schon einige deutsche Bezüge aufzuweisen hat? Immerhin gibt es hier ein Kinderheim unter Leitung eines deutschen Franziskanerinnenordens. Die Stadt braut Bier und stellt Würste nach deutschem Rezept her. „Die Menschen sind freundlich und einfach, nett und herzlich. Und die Stadt ist kompakt, aber schön“, bringt es Hatsumi Saito bei der Spezialität Aal und Reis auf den Punkt. Saito kennt sich bei seinen Landsleuten aus, der Schriftsteller hat auch das Musical „Over the Golden Sunset“ geschrieben, in dem es anhand einer historischen Person um Frieden und das Leben im Einklang mit der Natur geht.
Privat vor offiziell
Ansonsten sei es in Ichinoseki ähnlich wie in Deutschland, schildert Toshiaki Chiba, der dem Verein dank seiner Deutschkenntnisse unter die Arme greift. „Im Winter haben wir bis zu minus zehn Grad mit Schnee bis zu 30 Zentimetern. Der bleibt etwa zwischen Dezember und März liegen.“
Die Sommer sind dafür heiß, bis vor etwa 20 Jahren seien es noch erträgliche 30 Grad gewesen, inzwischen seien es oft bis zu 35 Grad, verbunden mit hoher Luftfeuchtigkeit. „Auch wenn die nicht so schlimm ist wie in Osaka oder Tokyo“, schildert Chiba weiter.
Die Vilbeler Delegation kann sich bei ihrem Besuch im August also auf heiße Tage vorbereiten. Doch eine unterschriebene Urkunde zur Städtepartnerschaft kann sie nicht mitbringen. „Erst muss es mehr private Kontakte geben, das sind Vorgaben der Stadtverwaltung“, sagt Koki Abe, Leiter des Musicals und Präsident des Partnerschaftsvereins mit 170 Mitgliedern beim Kaffeetrinken und der Spezialität Gomasuri Dango („Süßholzraspler“-Knödel aus Reis mit Sesam und Honig) im Hotel Itsukushien, in dem wohl auch Bad Vilbeler unterkommen werden.
Vom Bad Vilbeler FDP-Vorsitzenden Kai König erhalte Abe regelmäßig E-Mails, doch weder von der Stadt Bad Vilbel noch von der Stadtverwaltung Ichinoseki war mehr zum Prozess der Partnerschaft zu erfahren. Doch Abe, der vor 15 Jahren als Bürgermeister in Ichinoseki kandidierte und Vorstandschef einer großen Lunchboxfirma war, kennt die Geschwindigkeit, mit der politische Mühlen mahlen. „Wir müssen mehr Kontakt aufbauen, Austausch ermöglichen. Es müssen weitere Besuche folgen. Erst dann beginnt der offizielle Prozess.“
Vielleicht ist im August die nächste Brücke geschlagen. Denn Abe will dem früheren Generalkonsul Toyoei Shigeeda schon bald schreiben können, dass es mit dem Partnerschaftsprojekt Bad Vilbel-Ichinoseki – das Shigeeda ja maßgeblich mit angestoßen hat – vorangeht. „Noch ist das aber nicht so“, bedauert er.