Bad Vilbel. „In Frankfurt tobt die Börsenkrise und hier in Bad Vilbel ist die Welt in Ordnung“, frotzelt Arnulf Rating zu Beginn seines Programmes „Schwester Hedwigs allerschwerste Fälle“ in der Alten Mühle. Wort- und stimmgewaltig wettert der Träger des deutschen Kabarettpreises 1995 und des deutschen Kleinkunstpreises 2003 über die politische, wirtschaftliche und pädagogische Lage der Republik. Hohe Spritpreise, Missstände im Gesundheitssystem, die Erfinder von Hartz IV sowie korrupte Unternehmer, Priester als Väter, beinahe nichts und niemand aus dem öffentlichen Leben kommt ungeschoren davon.
Merkel, Stoiber, Koch, Beck und Fischer – Rating watscht sie alle ab. Kohl sei in seinem Amt so gewachsen, „dass wir zwei Länder zusammen legen mussten“. In einem beeindruckenden Redemarathon spottet und frotzelt der große Blonde aus Berlin über aktuelle und vergangene Skandale hierzulande, aber auch über Absurditäten des Weltgeschehens. Dabei schlüpft er in zahlreiche Rollen. So präsentiert er sich dem Vilbeler Publikum als Kardinal Meißner, als „grüner Krötenbeauftragter“ und liest den Zuhörern als Schwester Hedwig mit weißem Kittel, Häubchen und roten Zöpfen die Leviten.
Nicht nur wie in diesen Tagen in Ägypten, sondern auch im Sudan gebe es ja ständig Entführungen – „und wir Deutsche gehören zu den Geiselgeber-Ländern“. Während unter Kanzler Schröder Frauenfragen noch als „Gedöns“ abgetan worden seien, herrsche nun „das Triumvirat der Frauen“. Andrea Ypsilanti sei angetreten, Roland Koch zu schlagen, „nun hat sie Kurt Beck erwischt“. Wo man hinsehe nur Frauen, von Angela Merkel bis hin zu den Moderatorinnen der Talkshows. Die Buchmesse watscht Rating als „Oktoberfest der Intellektuellen“ ab.
Der Pädagogik widmet er einen großen Teil des Programms: So sei „Koma-Saufen und Amoklaufen nicht nur in Finnland, sondern auch an unseren Schulen längst in Mode gekommen“. Rating liefert ein Rededuell zwischen zwei Streithähnen, „pädagogischen Koryphäen“, die über „zeitgemäße Unterrichtsgestaltung“ diskutieren: „Was hat Schillers ’Glocke’ mit der Lebenswirklichkeit von Kindern aus einer Migrantenfamilie der dritten Generation zu tun?“ Oder: „Ist Privatfernsehen der Unterricht der Zukunft?“ Doch dann muss selbst Frau Doktor Katrin Holdenreich-Niederwasser zugeben, dass sie sich überfordert fühlt. „Ich habe gelernt, Englisch und Latein zu unterrichten, doch meine Schüler sprechen hauptsächlich türkisch und arabisch“. (kre)