Karben. Die evangelische Gesamtkirchengemeinde Karben hat den Schritt ins digitale Zeitalter geschafft. Das hat sie mit ihrer Gemeindeversammlung am Sonntag bewiesen. Diese »Corona-Verdienste« scheinen viele Karbener zu schätzen: Nach anfänglich spärlicher Resonanz bewerben sich nun überraschend viele Neulinge für die Wahlen zum Kirchenvorstand im Juni.
Um die 80 kleinen Fenster erscheinen auf dem Bildschirm: Vor einigen sitzen einzelne Menschen, vor anderen Paare, ein Vater hat sein Kind auf dem Schoß. »Gehen Sie mal die Reihen ab und schauen jedem einzelnen kurz in die Augen«, ermutigt Pfarrerin Nadia Burgdorf. Eben so, wie man sich auch bei einer »echten« Gemeindeversammlung in den Kirchenbänken umschauen würde. »Es ist total toll, dass auch virtuell so viele Menschen dabei sind.«
Die am Sonntag per Zoom-Videokonferenz veranstaltete Gemeindeversammlung – die erste seit Gründung der Gesamtkirchengemeinde zum 1. Januar 2020 – ist dabei ein weiterer Beleg dafür, dass die evangelische Gesamtkirchengemeinde den Schritt ins digitale Zeitalter geschafft hat. Dafür gibt es »virtuellen Applaus«: Nach einem Jahresrückblick von Pfarrer Christian Krüger, der Fotos des Kirchenjahres präsentiert – von noch »normalen« Seniorentreffen zur Faschingszeit über ein über den Bildschirm flimmerndes Coronavirus bis hin zu Freiluft-Gottesdiensten, Andachten zum Mitnehmen und digitalen Angeboten -, klatschen viele in die Kamera oder senden »Daumen hoch«-Icons.
Bewerber stellen sich vor
Vor allem aber sind es die Kandidatinnen und Kandidaten für die am 13. Juni geplante Kirchenvorstandswahl, die vor der Kamera ihren Auftritt haben. »Eine wunderbare Mischung an Bewerbern«, fasst es Pfarrer Eckart Dautenheimer zusammen. Drei Gruppen identifiziert er dabei: jene, die nach teils jahrzehntelangem Engagement erneut kandidieren, ganz neue Köpfe und eine Kandidatin, die den »Wiedereinstieg« anstrebt. »Mir ist wichtig, gerade in Zeiten der Kirchenaustritte ein Zeichen zu setzen, dass es auch Menschen gibt, die wieder an die Kirche heranrücken«, sagt Bärbel McWilliams. Dies ist umso wichtiger, da aus dem aktuellen 17-köpfigen Kirchenvorstand zahlreiche Mitglieder aus Altersgründen ausscheiden werden. An Bewerberinnen und Bewerbern mangelte es zuletzt jedoch. »Wir haben in den vergangenen Wochen Menschen gezielt angesprochen und versucht, für die Kandidatur zu motivieren«, sagt Sabine Lehner-Zeiff, die seit 15 Jahren dabei ist.
So sind neben bekannten Gesichtern auch ganz neue, teils deutlich jüngere Kandidaten auf der Liste zu finden: Björn Buol-Wischenau (51) hält ein Familienbild und eine Amazon Alexa ins Bild. »Mich prägen traditionelle Werte einerseits, der digitale Fortschritt andererseits«, sagt er. Dass die Kirchen gerade in der Pandemie so auf Fortschritt gesetzt hätten, begeistere ihn. »Da will ich mitmachen.« Auch Sascha Hoffmann (42) hat durch die Pandemie einen Ruck bekommen – indem er gesehen hat, wie sich die Bedeutung von Gemeinschaft verändert hat, »gerade für die Kinder«, wie der engagierte Elternbeirat ausführt.
Andrea Grob (38) lebt seit einem Jahr in Roggau, viele Karbener haben sie bereits gesehen: Die Physiotherapeutin ist von ihrer Leidenschaft für die Kirchenmusik angetrieben, die sie bereits als Sängerin im Weihnachtsgottesdienst auf Youtube unter Beweis gestellt hat. »Ich mache gern anderen eine Freude mit dem, was ich gut kann.« Sophie Reinhard aus Groß-Karben ist mit 21 Jahren die jüngste Bewerberin: Ihre große Leidenschaft ist die Jugendarbeit: »Es bedeutet mir viel, junge Menschen auf ihrem Weg zu begleiten.« Dirk Schröder (34) ist promovierter Mathematiker und will etwa im Bereich Finanzen unterstützen.
Auch bei Nicole Schwegler, die sich noch spontan aus der Versammlung heraus als Kandidatin aufstellen lässt, hat es in diesem »Corona-Jahr« ein Umdenken gegeben. »Ich gehe nicht oft in die Kirche, mir waren Gottesdienste oft zu theatralisch«, sagt die Rendelerin. »Dieses Jahr war alles anders. An vielen Stellen wurde umgedacht – und die Kirche konnte irgendwie neuen Halt geben.«
Auffällig ist, dass sich auf der Kandidatenliste bislang keine Namen aus Klein-Karben finden lassen. Pfarrer Werner Giesler sieht das bei sich begründet: Weil er im Sommer in Ruhestand gehen wird, habe er zunächst nicht für ein Amt werben wollen, das erst nach seinem eigenen Ausscheiden beginnt. Das sehe er heute anders und versichert in diesem Zuge, von einer Handvoll Kandidaten für Klein-Karben zu wissen. Karin Segebarth und Beate Kehr melden schon in der Versammlung Interesse an, räumen sich jedoch Bedenkzeit ein. Das ist problemlos möglich: Der Kirchenvorstand hat noch bis Anfang Februar Zeit, die Kandidatenliste zu ergänzen und wird in seiner nächsten Sitzung über die »Nachzügler« entscheiden.
Mitte Februar soll die endgültige Wahlliste dann publik werden, spätestens im Mai werden die Wahlunterlagen bei den Gemeindemitgliedern eintrudeln. Ungefähr um diese Zeit ist eine weitere Gemeindeversammlung geplant, sofern es die Corona-Pandemie zulässt. Von Jana Sauer