An den Kelten fasziniert das Spannungsverhältnis von Nähe und Ferne. Von Heimatkunde und Weltkulturerbe. Denn es ist ja der heimatliche Boden, in dem gefunden wurde, was wir sehen: Lanzen, Schwerter, Schmuck, kostbare Gefäße und diese mannshohen Steinskulpturen – auch in der Wetterau, auf dem Glauberg.
Besonders angerührt hat mich 2002 in der Frankfurter Keltenausstellung eine Vitrine mit Funden vom schwäbischen Asperg. Auch dort fanden sich Beigaben eines keltischen Fürstengrabes. Ungewöhnlich waren zwei griechische Tonschalen, anmutig bemalt. Als Sammlerstücke aus dem Ausland waren sie dem Verstorbenen offensichtlich besonders lieb und wert gewesen. Er hatte sie nämlich reparieren lassen. Damals schon. Von einem Fachmann, der vor mehr als 2000 Jahren die Bruchstellen mit Klammern zusammenfügte und sie dann mit feinem Goldblech ummantelte.
Das hat mich angerührt. Das hat den Bogen geschlagen über die Jahrtausende. Denn ich konnte diesen fernen Kelten gut verstehen. Auch ich halte Dingen gern die Treue. Selbst wenn sie mit den Jahren nicht schöner werden. Ich muss nur um mich blicken: der Schrank meiner Eltern, von einem Tischler gebaut – an den Ecken abgestoßen; der Deckel der Suppenterrine meiner Großmutter – geklebt.
Konsumfördernd ist eine solche Treue nicht. Aber erkenntnisfördernd. Wer sich nur mit Makellosem umgeben will, muss aufhören zu leben. Denn Leben hinterlässt sichtbare Spuren. Bei Dingen und Menschen.
Wir selbst bleiben auch nicht neu und unversehrt. Im Gegenteil. Unentwegt wird ausgebessert und geflickt. Wir überstehen Armbrüche, haben Operationsnarben und seelische Narben. Wir greifen zu Hörgeräten und künstlichen Hüften. Und stellen dann in der Regel dankbar fest: Auch mit Bruchstellen und Hilfskonstruktionen lässt sich leben. Ein bisschen bewusster, ein bisschen vorsichtiger – aber nicht ohne Zutrauen: Der gesprungene Krug hält am längsten.
Pfarrerin Dr. Irene Dannemann,
Ev. Heilig-Geist-Gemeinde
Bad Vilbel – Heilsberg