Alkohol ist das schwerwiegendste Suchtproblem in der südlichen Wetterau. Das zeigt die Jahresbilanz von Suchtberater Lutz Illhardt. Hoch ist dabei die Zahl junger Klienten.
Bad Vilbel/Karben. Suchtberater sind Menschen, die Humor haben müssen. So lässt es sich verstehen, wenn Lutz Illhardt, der Suchtberater für Bad Vilbel und Karben, wenig nüchtern seine Sucht-Bilanz für das Jahr 2011 zieht: „Alkohol hat wieder einmal triumphiert!“
Falsch verstehen sollte man Illhardt nicht: Es ist kein Triumph, über den er sich freut. 83 von 168 Menschen, die sich im vergangenen Jahr von ihm beraten ließen, hatten ein Alkoholproblem. Und, anders als noch im Vorjahr, verdrängte der Alkohol Cannabis zurück auf den zweiten Rang. In den vorigen 18 Jahren, seitdem Illhardt die Drogenberatung und Suchtprävention in den beiden Städten erledigt, war zumeist Alkohol Problem Nummer eins.
„Das Vorglühen abends vor dem Ausgehen, längere Öffnungszeiten der Supermärkte und die vielen Mischgetränke“ sind nach Einschätzung von Hans Peter Krämer, dem Leiter des Zentrums für Jugendberatung und Suchthilfe in der Wetterau, einige der Ursachen. Auf hohem Niveau wie im Vorjahr hat sich dabei stabilisiert, dass Alkohol und die übrigen Drogen gerade ein Problem junger Leute sind: Fast 45 Prozent aller 168 Menschen, die sich bei Lutz Illhardt beraten ließen, waren unter 30 Jahre alt. So sehr der Anteil erschrecken mag, der Suchtberater sieht das in mehrfacher Hinsicht positiv: „Wenn die Leute früher kommen, dann ist die Krankheit noch nicht so schädlich fortgeschritten“, erklärt er. „Dann ist es eventuell noch ein Alkoholmissbrauch, noch keine Abhängigkeit.“ Das lasse sich einfacher behandeln.
Keine Beratungsangst
Auch zeige die Zahl vor allem, dass viele junge Leute die Beratung nutzten. „Durch die Aufklärung, beispielsweise in den Schulen, wissen Betroffene früher, wohin sie sich wenden können“, erläutert Illhardt. Das freut Bad Vilbels Sozialstadträtin Heike Freund-Hahn (FDP): „Es ist gut, dass die Menschen das Beratungsangebot annehmen und keine Angst haben.“
Mit deutlichem Abstand zum Alkohol steht der Cannabis-Konsum mit 60 Betroffenen in seinen Beratungen zwar „nur“ noch auf Rang zwei. Danach folgen allerdings nur sieben Klienten mit Heroin- und fünf mit Kokain-Problemen – was zeigt, dass sich Cannabis als Massendroge auf dem Niveau von Alkohol etabliert habe. „Es gibt genug Leute, die sagen, es sei doch nicht so schlimm“, erklärt Illhardt – wozu inzwischen selbst Eltern gehörten, die meinten, dies aus eigener Erfahrung beitragen zu können. Seine Beratungen seien dadurch um einiges komplizierter als beim Alkohol: Denn in der Regel müsse er die Erziehungstaktiken der Eltern ansprechen.
Als weiter zunehmendes Problem nennen Illhardt und Krämer die Spielsucht – von 24 auf 30 Klienten stieg die Fallzahl in der Wetterau an. Sowohl die Zunahme von Spielhallen wie auch das selbst von Prominenten beworbene Glücksspiel im Internet brächten immer mehr Menschen in die Abhängigkeit. „Die Leute verschulden sich sehr hoch“, erklärt Krämer. „Das Angebot schafft eben die Nachfrage.“ Selbst beraten kann Illhardt solche Betroffenen nicht, dafür fehlt ihm mit seiner halben Stelle die Zeit. Er verweist sie an eine für die Wetterau zuständige Kollegin in Bad Homburg weiter.
Ruhe beim Markt
Stolz ist der Suchtberater darauf, dass er im vergangenen Jahr seinen Klienten besonders effektiv helfen konnte: Dreiviertel von ihnen waren nach der Beratung abstinent, weitere 13 Prozent hatten ihren Konsum reduziert. „Das ist schon sehr viel.“ Und dass es während des Bad Vilbeler Marktes, der Gronauer Kerb und des Karbener Weihnachtsmarktes nicht zu Alkoholexzessen kam, führt er auf die gemeinsamen Präventionsaktionen mit Veranstaltern, den örtlichen Ordnungsbehörden, der Polizei und benachbarten Supermärkten zurück. „Solch eine Zusammenarbeit ist nicht selbstverständlich“, lobt denn auch Zentrumsleiter Hans Peter Krämer, „und sie funktioniert hier sehr gut.“ Solche Präventionsarbeit soll daher weiterlaufen. (den)