Karben. Die Zeit drängt. Schon im August sollen die ersten Bagger unterhalb des Groß-Karbener Marienhofs rollen. „Der Zeitplan liegt auf eine Woche genau zurecht“, erklärt Ulrich Löttert-Götz vom Projektentwickler Abicon. Denn die Karbener wollen ihre Biogasanlage bis Jahresende in Betrieb nehmen.
Ein letztes Mal haben derzeit Betroffene die Möglichkeit, sich zur Planung des Zehn-Millionen-Euro-Projekts zu äußern, nachdem ihm das Stadtparlament endgültig Grünes Licht gab. Mit dem Ortsbeirat Groß-Karben hat sich gerade einer der größten Kritiker zu einem Ja durchgerungen. Die Mitglieder des Gremiums nahmen in ihrer Stellungnahme bloß Ermahnungen auf, dass die Vorgaben beispielsweise für die Streckenführung des Anlieferverkehrs kontrolliert werden müssten.
Zentrale Forderung der Groß-Karbener war von Anfang an, dass der Lieferverkehr nicht durch die hochbelastete Bahnhofstraße geführt werden dürfe. Die Planungen der Betreibergesellschaft sehen vor, dass die Großzahl der Anlieferungen direkt um die Anlage herum stammt – fast 1000 Traktorfahrten.
50 Lastwagenfahrten sind außerdem für die Homburger Straße, 20 für die Burg-Gräfenröder und Heldenberger Straße geplant. Knapp 300 Lkw sollen über Büdesheim und Heldenbergen (B 521) rollen.
Was dabei fehlt, ist die Bezugsgröße. „Die Felder werden ja auch heute schon bewirtschaftet und die Frucht abgefahren“, sagt Ulrich Löttert-Götz. „Nur gibt es erstmals eine solche Aufstellung der Fahrten.“ Deshalb schätzt er, dass die Zahl der Fahrten gegenüber heute sogar sinkt. Denn künftig würden Ernteprodukte nicht erst auf die Höfe in den Orten gefahren und von dort abtransportiert, sondern direkt zur Biogasanlage gebracht.
Karbens Stadtrat Philipp von Leonhardi (CDU) rechnet beispielsweise damit, dass er sich als Landwirt künftig je Saison 20 Fahrten in den Ort hinein sparen kann.
Selbst wenn sich von Leonhardi und seine Kollegen keine Fahrten sparten, falle der Zuwachs im schlimmsten Fall immer kaum merkbar aus, erklärt Verkehrsplaner Karsten Ott vom Bergener Büro IMB-Plan. So seien beispielsweise jährlich in Groß-Karbens Ludwigstraße 91 250 Schwerverkehrs-Fahrzeuge unterwegs – und künftig eben 20 weitere binnen der fünf Wochen dauernden Maisernte.
Die Anlieferzeit werde außerdem auf 6 bis 22 Uhr begrenzt. Wie aber solle das kontrolliert werden, wenn die Anlage doch 24 Stunden laufe, fragt Ortsvorsteher Hans-Jürgen Kuhl (SPD) zweifelnd nach.
Noch etwas lässt Kuhl in den Genehmigungsunterlagen hellhörig werden: Wie viele der „1400 Güllefahrten pro Jahr“ würden denn durch Groß-Karben fahren? Die 1400 Fahrten seien keine mit Gülle, sondern mit den Gärresten der Anlage, erklärt Annette Erpenstein vom planenden Friedberger Architekturbüro Frielinghaus. „Die sind fast geruchslos.“ Lediglich 67-mal pro Jahr steure ein Gülletransporter die Anlage an, erklärt Ulrich Löttert-Götz, die Gülle werde in geschlossenen Tanks transportiert.
SPD-Ortsbeiratsmitglied Harald Ruhl, Sprecher der Bürgerinitiative „Nordumgehung jetzt!“, hakt ebenfalls nach. „Welche Vorkehrungen gibt es, dass überwacht wird, dass die Fahrzeuge ihre Routen auch einhalten?“ Zum einen werde das in die Verträge aufgenommen und jeder Fuhrunternehmer achte penibel darauf. „Weil er den Vertrag ja verlängert bekommen möchte“, sagt Ulrich Löttert-Götz.
Zum anderen habe die Stadt direkten Einfluss auf die Fuhrunternehmer, weil sie durch ihre Beteiligung in der Firma direkt mitsprechen kann, erinnert Stadtrat von Leonhardi. Zudem gehe die gesamte Planung vom „worst case“ aus, unterstreicht Planerin Erpenstein. „Wir haben den schlimmsten Fall als Prognosegrundlage und sprechen auch nur über die Zeit, bis die Nordumgehung endlich gebaut ist.“ (den)