Karben. Aus zwei mach vier Gleise: Die Bahn will die Main-Weser-Strecke zwischen Bad Vilbel und Friedberg ausbauen. Derzeit laufen die Planungen. Nun erfahren die ersten Anwohner, was das für sie bedeutet: Häuser, Schuppen, Garagen und Gärten sind im Weg.
Die Büsche könnten das letzte sein, was vom weitläufigen Garten der Familie McWilliams in Okarben übrig bleibt. Bis ans Wohnhaus heran sollen Lärmschutzwände rücken, wenn die Deutsche Bahn in Okarben die Main-Weser-Bahn ausbaut. „Das wird eine Katastrophe“, sagt Bärbel McWilliams. Vor zwölf Jahren kaufte die Familie das Haus. „Wir haben alles hier herein investiert, und es ist wirklich schön geworden.“ Obwohl zwischen Bundesstraße 3 und Bahnstrecke eingeklemmt, wirkt der Garten selbst in diesen kalten Wintertagen heimelig.
Dass es damit bald vorbei ist, wurde den McWilliams’ klar, als sie Besuch von der Bahn bekamen: Der größte Teil ihres Gartens plus Garage und Schuppen müssen dem Gleisausbau weichen. Keine drei Meter vom Wohnzimmer entfernt sollen bald InterCitys, RegionalExpress- und Güterzüge entlangbrausen, eine wohl sechs Meter hohe Lärmschutzwand nur wenige Zentimeter östlich des Hauses gebaut werden. „Die Fenster könnten wir dann nicht mehr öffnen“, habe ihnen der Bahn-Mitarbeiter erklärt, berichtet Bärbel McWilliams. Die Kosten für elektrische Lüfter wolle die Bahn aber übernehmen. „Dann ist unsere Wohnqualität hin.“
So wie Familie McWilliams werden in diesen Wochen diverse Anwohner der Main-Weser-Bahn erstmals konkret mit den Ausbauplänen konfrontiert.
Die Sorgen darüber treiben die Okärber zusammen. Aribert Groll aus dem Ortskern zum Beispiel drohen die Lärmschutzwände den Blick auf die Felder des Altebergs zu verdecken. Das sei er zwar bereit in Kauf zu nehmen, wenn es durch den Ausbau im gesamten Ortskern dann deutlich leiser werde als bisher. „Derzeit rauschen die Züge mit 80 Dezibel hier durch.“ Nach dem Ausbau dürfen es nur noch 65 Dezibel sein. Angst haben die Anwohner aber davor, dass künftig viel mehr Güterzüge über die Strecke rollen: mehr Erschütterungen, mehr Feinstaub und mehr Risiko durch häufigere Gefahrguttransporte auf der Schiene.
„Die neuen Gleise sind ausschließlich für die S-Bahn vorgesehen“, hält ein Bahn-Sprecher aus Frankfurt dagegen. Die S 6 erhalte künftig eine vom übrigen Verkehr völlig getrennte Trasse. Dass künftig auch mehr Güterzüge fahren, räumt der Bahn-Sprecher ein. Es sei politisch gewollt, dass künftiger Zuwachs beim Güterverkehr auf der Schiene abgewickelt werde.
Ähnlich ist die Lage in Nieder-Wöllstadt und Dortelweil. Wie viele Häuser betroffen sind, mag der Bahn-Sprecher nicht sagen. „Das besprechen wir mit den Betroffenen direkt.“
Das Verfahren solle noch in diesem Jahr anlaufen, kündigt der Bahn-Sprecher an. Die Planungsunterlagen seien weitgehend fertig. Das Verfahren läuft beim Darmstädter Regierungspräsidium. Nach dem Okay von dort solle zwischen 2012 und 2016 gebaut werden, schrieb die Bahn an Aribert Groll. „Das ist unrealistisch“, räumt der Bahn-Sprecher ein. Mit Verzögerungen wie in Frankfurt rechne er aber nicht. Es soll mit allen Anliegern einvernehmliche Lösungen geben. In Härtefällen müsse dann geklärt werden, „ob Grundstücke abgelöst werden“. (den)