Erinnern Sie sich an den Sommer 2006? Das „Sommermärchen“? Bestimmt! Es war Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland. Das Motto: „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Tatsächlich war es ein tolles und weltoffenes Fest geworden mit richtig feiernden Deutschen und viel mehr Gastfreundschaft, als uns manche von außerhalb zugetraut hatten! (nur den Titel hat die Mannschaft nicht gewonnen – nächste Chance 2014…)
An diesem Wochenende beginnen die Sommerferien und viele von uns starten wieder in den Urlaub. Dann dreht sich das Motto von 2006 um: „In der Welt zu Gast“ sind wir dann als Deutsche. Was zu Zeiten von Marco Polo noch eine Sensation war, das war bei Goethe bereits eine Option für eine kleine Gruppe der Gesellschaft: Die Welt ganz hautnah kennen lernen. Aber doch waren sie damals alle noch Pioniere gewesen, in gewisser Hinsicht auch noch meine Eltern, die in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts mit Tigges-Reisen und Zelten im Bus in alle möglichen Länder Europas fuhren und dort Land und Leute kennen lernten – noch ohne Campingplätze! Heute ist das Reisen pauschal-einfach geworden und in fast allen Ländern der Welt gibt es eine tolle Touristen-Infrastruktur. Das ist auch gut so, denn nicht jeder ist ein Entdeckertyp und Globetrotter. Aber manchmal ist es auch zu einfach: Deutsches Schnitzel am Strand von Spanien, deutsche Speisekarte in Kroatien, deutsch sprechende Hotelmanager in der Türkei… Überhaupt: Wer sich nur in seinem Hotelkomplex bewegt, der ist zwar im Ausland, aber doch nicht in der fremden Welt angekommen.
Ich möchte uns Reisenden allen miteinander Mut machen, uns auf Menschen und Kultur, auf Land und Leute einzulassen! Fremde Gerüche und ungewohnte Geräusche, ein anderer Kleidungsstil und andere Häuser, mir nicht vertraute Lebensgewohnheiten und Umgangsformen. Und in Tempeln und Moscheen, Synagogen und Heiligtümern und sogar in Kirchen anderer christlicher Konfessionen auch unbekannte Formen von Religiosität…
Und doch: Gerade durch die Brille des christlichen Glaubens betrachtet sind es alles Menschen, die von Gott geliebt sind. Ist alles Fremde Ausdruck des Reichtums und der Schönheit einer ganz vielfältigen Schöpfung Gottes. Mehr als alle Generationen vor uns haben wir die unfassbare Chance, unseren Lebenshorizont auszuweiten und Menschen und Kulturen vor Ort kennen zu lernen. Das trägt zum Frieden bei und zur Gerechtigkeit. Das ist aber vor allem meine Chance für besondere Lebenserfahrungen. Ich bin dankbar, dass ich solche schon in vielen Ländern dieser Erde machen durfte – und immer erfahren konnte: Ich bin in der Welt zu Gast – bei Freunden!
Herzliche Urlaubs- und Reisegrüße, Ihr
Pfarrer Dr. Klaus Neumeier,
Evangelische Christuskirche
Bad Vilbel