Bad Vilbel. Sieben statt 19 Prozent Steuer: Ein um zwölf Prozent geringerer Mehrwertsteuersatz sollte die Hotelbranche freuen. Doch so einfach ist das nicht. Auf den 1. Januar 2010 wartet der Dortelweiler Hotelier Walter Bredler seit Jahren. An diesem Tag will die schwarz-gelbe Bundesregierung durch ihr „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ die Mehrwertsteuer für Herbergen senken. Dadurch verzichtet der Staat nach Angaben des Finanzministeriums auf eine Milliarde Euro an Einnahmen.
Zwölf Prozent weniger, das bedeute zunächst, „dass uns unterm Strich mehr Geld bleibt“, sagt Bredler. Das sei auch international gerecht, denn von 27 EU-Staaten hätten 21 einen geringeren Steuersatz als Deutschland, zwölf davon speziell für Hotels. Für eine Preissenkung sieht der Eigentümer des Hotels „Tannenblick“ jedoch keine Chancen; diese seien bereits seit vier Jahren stabil, zumal durch die Preisentwicklung der Spielraum gering sei. Außerdem habe er in den 15 Zimmern überwiegend Stammkunden. Das Gros der Hotelgäste seien in Dortelweil arbeitende Wochenendpendler, die seit Jahren im „Tannenblick“ wohnen. Dennoch komme das Geld der Konjunktur zugute: 50 Prozent der Mitglieder des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga planten nun Investitionen: „Das Geld bleibt im Wirtschaftskreislauf!“
Die 240 000 deutschen Hoteliers und Gastronomen mit ihren etwa eine Million Angestellten seien ein Wirtschaftsfaktor. Während Bredler das erzählt, ertönen aus dem Keller seines Hauses laute Schlagbohrergeräusche. Dort investiert der Hotelier gerade in einen neuen Wellnessbereich. Das sei „wichtig, um auf dem Markt bestehen zu können“.
Im Hotel „Tannenblick“ arbeiten zwei Angestellte. Mit dem eingesparten Geld könne er auch Zusatzleistungen bezahlen, um die Mitarbeiter stärker zu motivieren, hofft Bredler. Vielleicht könne das Budget bald auch für einen zusätzlichen Mitarbeiter reichen, der ihn selbst entlaste.
Enttäuscht von der neuen Regelung ist dagegen Ulla Ahrens, Chefin des Massenheimer „Ahrenshofs“. Sie hat nur zehn Zimmer, macht das Hauptgeschäft mit ihrem Restaurant. Sie habe der FDP geglaubt, dass die Mehrwertsteuer auch für Gaststätten gesenkt werde. Das jetzt beschlossene Gesetz sei ungerecht: „Ich bin sehr enttäuscht.“ Die Entlastung sei lediglich „ein Geschenk an die großen Hotelketten“. Außerdem beschere ihr die Steuerlücke weiterhin monatlich ein Minus von 5000 bis 6000 Euro, klagt Ahrens. Das sei die Differenz – unter anderem von den zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz eingekauften Lebensmitteln und den 19 Prozent, die sie für die Bewirtung abführen müsse.
Kritisch äußert sich auch der Hotelier und CDU-Stadtverordnete Thomas Kester („Hotel am Kurpark“): „Das Geschäft hängt nicht von den sieben Prozent Mehrwertsteuer ab.“ Es handele sich bei den Steuerbeträgen um eine reine Umverteilung. Die Entlastung werde er für Investitionen nutzen, kündigt er an: Davon profitierten „die Wirtschaft, die Kunden und ich“. Keinen Kommentar zu der Steuersenkung wollten das „Sprudel-Hotel“ und das „City-Hotel“ abgeben.
„Das ist ein völlig sinnloses Weihnachtsgeschenk an die großen Hotelketten, das kein bisschen mehr Wachstum bringen wird,“ sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft NGG, Franz-Josef Möllenberg. Weder das Gros der Kunden noch die Beschäftigten profitierten davon. Eine Ermäßigung der Mehrwertsteuer bringe nur dann nennenswerte Wachstumseffekte, wenn sie für das gesamte Gaststättengewerbe gelte, betont der Gewerkschaftsfunktionär.