Gibt es eine kulturgeschichtliche Begründung, aus der heraus ein „Gutshof Linden-hof “ – außenliegend im Stadtteil Dortelweil – mit einer von der Stadt offiziell beschilderten Ortsbezeichnung versehen werden kann? Das wollen die Dortelweiler Grünen in einer Anfrage für die Ortsbeiratssitzung am 2. Mai wissen.
Bad Vilbel. Nach Auskunft des Fachdienstleiters der Straßenverkehrsbehörde in Bad Vilbel, Timo Jehner, gäbe es eine „kulturgeschichtliche Begründung“ und diese Ortsbezeichnung sei „aus langer Tradition heraus“ entstanden, erklären die beiden Dortelweiler grünen Ortsbeiratsmitglieder Kathrin Anders und Kurt Sänger und haben Nachforschungen angestellt.
In der lokalen Geschichtsschreibung von Bad Vilbel werde ein „Gutshof Lindenhof“ jedoch nicht erwähnt (vgl. hierzu: Willi Giegerich, Aus der Geschichte Dortelweils, Bad Vilbeler Heimatblätter, Heft 3, Seiten 3 – 29, Hrsg.: Kur- und Verkehrsverein Bad Vilbel, 1972). Auch sind keine Hinweise auf den historischen Bestand eines solchen Gutshofes im Zusammenhang mit mittelalterlichen Besitzrechten Frankfurts an Dortelweil bis einschließlich 1866 ebenfalls nicht vorhanden (vgl. hierzu: Bernd Schneidmüller, Städtische Territorialpolitik und spätmittelalterliche Feudalgesellschaft am Beispiel von Frankfurt am Main, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 118, 1982, Seiten 115-136).
Negativ beschieden wurde auch die Anfrage vom 5. März 2012 beim Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt (Aktenzeichen: 526 S 686/12). Ein „Lindenhof“ zu Dortelweil sei aus älterer Zeit (d.h. vor den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts) weder in den dort vorliegenden Akten noch Plänen und Flurkarten dokumentiert. Eine nachweisbare Grundlage für einen Gutshof Lindenhof mit besonderem Rechtscharakter eines adligen Grundbesitzers oder Gutsherren, der über Land und Leute herrschaftlich und rechtlich verfügen konnte, bestehe demnach nicht, so das Hessische Staatsarchiv in Darmstadt in seiner Auskunft an Anders und Sänger.
Auch die Liste der Kulturdenkmäler in Hessen beinhalte keine Hinweise auf einen Gutshof Lindenhof in Dortelweil. Es würden lediglich für Dortelweil das 1776 von der Freien Reichsstadt Frankfurt erbaute Henselsche Hofgut als Zoll- und Chausseehaus mit zusätzlichem gutshöfischem Anwesen aufgeführt sowie das seit dem 15. Jahrhundert bestehende und ebenfalls zu Frankfurt gehörende und 1780 als Freigut ohne Frondienste neu erbaute Holzhausensche Hofgut. Für einen Gutshof Lindenhof in Dortelweil seien keine Nachweise vorhanden, so dass es sich demnach „hierbei wahrscheinlich um ein selbstgewähltes Etikett ohne historischen Bezug handelt“, so Anders und Sänger.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bitte nun um die Beantwortung nachstehender Fragen im Ortsbeirat: Mit welchen kulturgeschichtlichen Hintergründen und Zeugnissen wird diese Ortsbezeichnung „Gutshof Lindenhof“ als Zusatzschild zum Karbener Weg und zum Weiler Berg in Dortelweil seitens der Stadt schlussendlich begründet? Welche Kosten sind hierfür bei der Stadt angefallen (Beschriftung und Montage des Schildes, Änderungen der Ortsbezeichnung in allgemeinen, öffentlichen Druckwerken und in Verkehrs- und Flurkarten)? Hat es für diese Ortsbezeichnung einen Stadtverordnetenbeschluss gegeben? (sam)