Bad Vilbel. Ein »hausgemachtes Problem« oder einfach »zu umfangreich«? Unterschiedliche Annahmen sind in den vergangenen Tagen seitens der Kommunalpolitik darüber laut geworden, warum die neue Stadthalle hinter dem Kurhaus bis zum Hessentag nicht fertig wird. Stadtrat Klaus Minkel (CDU) hatte im Rahmen der Haupt- und Finanzausschusssitzung nämlich das bestätigt, was viele längst geahnt hatten.
Eigentlich sollte die Halle, die eine Verbindung zum Kurhaus in Form einer Orangerie erhält, außer der Hessentags-Arena einer der zentralen Orte beim Hessentag 2020 sein. In den Bewerbungsunterlagen zum Fest heißt es dazu: »Das zentrale Hessentagsprojekt ist die Schaffung einer modernen Veranstaltungsstätte in Innenstadtlage durch die denkmalgeschützte Sanierung des Kurhauses, den Bau einer Tiefgarage sowie den Neubau eines Saales.«
Dementsprechend hat man bei den federführenden Stadtwerken in der Planungsphase 2017 Gas gegeben. »Wir haben da ein unglaubliches Tempo vorlegt«, sagte Minkel in der Sitzung. Damit habe man einen qualifizierten Entwurf und das Baurecht geschaffen. Dem Stadtrat mag beim Spatenstich im September diesen Jahres indes schon etwas geschwant haben. Denn auf Nachfrage dieser Zeitung, ob das Riesenprojekt bis zum Hessentag fertig werde, antwortete Minkel: »Ob es klappt, »das wissen wir erst, wenn die Ausschreibung erfolgt ist und wir den Bauzeitenplan haben«.
NUR EIN ANGEBOT: Nun steht fest: Die moderne Veranstaltungshalle mit rund 1200 Plätzen und allerneuester Technik des Karbener Event-Dienstleisters Satis & Fy wird nicht rechtzeitig fertig. Minkel erläuterte dazu, dass man seitens der Stadtwerke ursprünglich eine Schlüsselfertig-Ausschreibung angestrebt habe. Dafür hätten sich 30 Anbieter die Unterlagen abgeholt. »Aber es ist nur ein einziges Angebot abgegeben worden.« Deshalb werden die einzelnen Gewerke ausgeschrieben.
Ein Hessentag ohne Stadthalle? Kein Problem, heißt es seitens des Stadtsprechers Yannick Schwander. »Die Angabe, dass die Stadthalle das zentrale Projekt sei, war nie so zu verstehen, dass das der zentrale Veranstaltungsort sein sollte.« Vielmehr sei die neue Halle am Kurhaus das zentrale Investitionsprojekt, für das die Stadt erhebliche Zuschüsse vom Land erwarte.
Veranstaltungsorte für das Fest der Hessen habe man dagegen genug wie die große Arena, die auf dem geplanten Segmüller-Areal im Quellenpark entstehen soll. Die geplante Vereidigung der neuen Polizisten sei auf dem Niddasportfeld geplant, die politischen Gremien wie Kabinett und Fraktionen sollen während der zehn Tage im Kultur- und Sportforum tagen. »Wir haben von vornherein ohne die Stadthalle geplant«, sagt Schwander. Insofern müsse es auch keinen Plan B geben.
NEUES ZIEL AUSGEGEBEN: Die Stadt hat jetzt ein Ziel: »Wir wollen bis zum Hessentag dort keine Großbaustelle mehr haben.« Sprich: Die Besucher sollen nicht auf die Baustelle treffen, wenn sie durch den Kurpark in Richtung Kurhaus und Stadthalle laufen.
Genau das befürchtet aber die SPD. Deren Fraktionsvorsitzender Christian Kühl meint, »dass es einen Hessentag zwischen Baukränen und Baggern gibt«. Es seien neben der Stadthalle noch neue Wohngebiete, eventuell die Therme und das Springpark Valley geplant. »Vielleicht sollte man zumindest das letzte Projekt, wenn es überhaupt umgesetzt wird, nach dem Hessentag beginnen«, schlug er vor.
Kathrin Anders, Grünen-Fraktionsvorsitzende, sagte, es sei von Anfang an eine Illusion« gewesen, dass es gelingen könne, die Stadthalle zum Hessentag fertig zu haben. »Unter dem Druck des Hessentages konnte es ja nicht schnell genug gehen. Ruck-zuck war das Hallenbad abgerissen, der Kurpark West gerodet und alles mit dem Ziel, zum Hessentag fertig zu sein«, sagte Anders. Mit einer realistischeren Planung hätten die Übergänge vom alten Kurhaus zur Stadthalle und vom Schwimmbad zum Kombibad besser gestalten werden können.«
Offenbar hätten die Stadtoberen »mit dem Kopf durch die Wand gewollt«, führt Anders weiter aus. Nun müssten sie den Bürgern erklären, »warum die Besucher des Hessentages eher kahle Rohbauwände als eine schöne Stadthalle sehen werden«.
FW-Fraktionschef Raimo Biere warf den Verantwortlichen der Stadt vor, es wieder versäumt zu haben, direkt nach Gewerken und der VOB auszuschreiben. Hier hätte aufgrund der engen Termine eine externe Fachkraft beauftragt werden müssen, die möglichst kleinteilig ausschreibe. »Das Problem ist mal wieder hausgemacht.«
WETTBEWERB ANFEUERN: Die zunächst gewählte Form der Ausschreibung für den Neubau der Stadthalle sei »nicht mehr marktgerecht«, so die FDP-Stadtverordneten Thomas Reimann und Jörg-Uwe Hahn. Derzeit sei kein Unternehmen bereit, über 1000 Seiten zu bearbeiten, weil dies nur Zeit und Geld koste. Mit nur einem Bieter könne man nicht von einem Wettbewerb sprechen. Deshalb begrüße die FDP die Entscheidung Minkels, nach einzelnen Gewerken auszuschreiben. Das führe zu einem günstigeren Ergebnis, und die Zahl der Angebote werde größer sein.
CDU-Fraktionschefin Irene Utter zeigte sich von der Aussage von Stadtrat Klaus Minkel »wenig überrascht«. Beim Bau müsse man immer mit unvorhergesehenem rechnen. »Insofern bin ich auch nicht wahnsinnig enttäuscht.« Sie hoffe aber, »dass der Bau im Juni 2020 wenigstens von außen anzusehen sein wird«.