Bad Vilbel. Heringsessen hat in politischen Kreisen durchaus Tradition. Doch jüngere Leute spricht diese Form der Veranstaltung offensichtlich nicht an – was das inzwischen 39. Heringsessen des CDU-Stadtverbandes am Samstagabend belegte. Waren vor zwei Jahren noch über 600 Besucher ins Kurhaus gekommen, konnte der christdemokratische Innenstadt-Chef Andreas Martini dieses Mal nur 120 Gäste begrüßen.
Zu den Gästen aus dem Umland gehörten der Friedberger CDU-Vorsitzende Olaf Beisel und sein Rosbacher Kollege Peter Horlacher. Bad Vilbels politische Prominenz wurde vertreten durch Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr, Stadtverordnetenvorsteher Manfred Cleve und seine Gattin Rosemarie, die stellvertretende Kreistagsvorsitzende ist. Die Veranstaltung stand im Zeichen des Vortrags „Die Entwicklung der Brunnenindustrie in Bad Vilbel“ von Günter Hinkel, Geschäftsführender Gesellschafter der HassiaGruppe.
Die Anfänge des stillen oder sprudelnden Lebensmittels beginnen mit der Beschreibung von 102 Thermal- und Sauerbrunnen, davon drei aus der Region, im Jahre 1581 durch Jakob Theodor von Bergzabern, genannt Tabernamontanus. Wurde das kostbare Nass im 18. und 19. Jahrhundert noch in Steinkrügen transportiert, trat ab 1900 die Glasflasche ihren Siegeszug an. Die Zahl der Brunnenbetriebe in Vilbel wächst von vier um 1900 in 30 Jahren auf über 30 an. 1948 wird der Stadt das Prädikat „Bad“ verliehen. Ende der 50er Jahre beginnen 21 Betriebe unter schwierigen Bedingungen mit dem Aufbau. Der rasante Aufstieg des Mineralwassers startet in den 60er Jahren und führt in den 90er hin zum Volksgetränk. Von 1962 bis 1969 werden die Holzkästen gegen einheitliche und leichtere aus Kunststoff vollzogen. Mit der zunehmenden Konzentration in der Brunnenindustrie in den 80er Jahren einher geht ein Anstieg des Pro-Kopf-Verbrauchs auf über 80 Liter, der nach der Wiedervereinigung 1990 die 100-Liter-Marke übersteigt. Mit der Einführung der Mineral- und Tafelwasserverordnung 1984 erhält das Mineralwasser als einziges Lebensmittel staatliche Anerkennung.
Mitte der 90er Jahre setzen drastische Marktveränderungen durch die Entwicklung der Kunststoff-Einwegflasche PET (1995), der PET-Mehrwegeinheitsflaschen für Wasser (2000) und Süßgetränke (1995) sowie neue Vertriebsformen ein. 2003 wird mit der Novellierung der Verpackungsverordnung ein Pflichtpfand von 25 Cent für Einwegflaschen erhoben. Dadurch verlieren die 220 konventionellen Markenbrunnen massiv Marktanteile an neue Abfüllbetriebe auf der grünen Wiese, neue Vertriebswege im Discount, Pfandschlupf und durch Dumpingpreise auf Vorkriegsniveau. „Leider tut die Politik nichts“, klagte Hinkel aus Sicht des mittelständischen Unternehmens. Bei Mehrweg könnten eine Million Tonnen CO² eingespart werden. Für die Hassia führten diese Veränderungen zu Absatzverlust, Wettbewerbs- und Preisdruck.