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Großer Bahnhof im Burghof

Jetzt wird es ernst im Orientexpress für die Mitreisenden: Meisterdetektiv Hercule Poirot hat sie zum Showdown zusammengerufen. Er legt dar, wer in den mysteriösen Mord verwickelt ist. Foto: Eugen Sommer
Jetzt wird es ernst im Orientexpress für die Mitreisenden: Meisterdetektiv Hercule Poirot hat sie zum Showdown zusammengerufen. Er legt dar, wer in den mysteriösen Mord verwickelt ist. Foto: Eugen Sommer

Bei der Eröffnung der Burgfestspiele bringt Meisterdetektiv Hercule Poirot die Wahrheit ans Licht

Bad Vilbel. „Nein das ist kein Regen, das sind Freudentränen“, kommentierte Bürgermeister Thomas Stöhr den Beginn eines leichten Schauers, der pünktlich zur Eröffnung der Premiere von „Mord im Orientexpress“ einsetzte. Die Burgfestspiele können diesen Sommer endlich wieder ihr volles Programm vor voll besetzter Tribüne darbieten.

Schon allein dies hätte den großen Bahnhof gerechtfertigt, der an diesem Abend in zweifacher Hinsicht geboten wurde. Zunächst begrüßten Bürgermeister Stöhr und Intendant Claus-Günther Kunzmann mit Astrid Wallmann die neue Schirmherrin der Festspiele, die erst drei Tage zuvor zur Präsidentin des Hessischen Landtages gewählt worden war. Nach der offiziellen Eröffnung hieß es Bühne frei für die Zeitreise zurück in die 1930er Jahre, denn die Kulisse imaginierte den Bahnhof von Konstantinopel, dem heutigen Istanbul. Hier steigen die Schauspieler in den Salonwagen des Orientexpress‘ ein, um sich auf eine dann doch nicht fahrplanmäßig ablaufende Reise zu begeben.

Sich mitten im Bad Vilbeler Sommer vorzustellen, wie der legendäre Orientexpress durch den Burghof fährt und dann auch noch in einer Schneewehe steckenbleibt, war eine Herausforderung, die Bühnenbildnerin Kathrin Kegler brillant gelöst hat: ein übergroßes Foto der historischen Orientexpress-Wagen mit entsprechender Tiefenperspektive am rechten Rand der Bühne führt in die Szenerie ein. Die Passagiere haben hier einen Einstieg und finden links das Foyer des Salonwagens sowie einige Meter weiter die Abteile. Ein großes Fenster im Hintergrund gibt den Blick frei auf eingeschneite Eisenbahngleise.

Die Reisenden – es sind unter anderem eine etwas düstere Gräfin und eine undurchsichtige Prinzessin dabei, eine trotzige Missionarin, eine exaltierte Neureiche aus den USA, der ungeduldige Eisenbahndirektor, ein dubioser Geschäftsmann samt nervösem Sekretär sowie ein noch nervöseres junges Liebespaar –  sind ihrer jeweiligen Stellung entsprechend von Marie-Therese Cramer stilsicher in Kostüme der 1930er Jahre gekleidet. Das gleiche gilt für den in Uniform agierenden Schaffner.

Zu dieser illustren wie auch geheimnisumwitterten Reisegesellschaft zählt auch Hercule Poirot, der – auch nach eigener Meinung – berühmteste Detektiv „von der ganzen Welt“. Von kleiner Statur, aber mit übermäßigem Selbstvertrauen und eitlem Gehabe wurde er von seiner Schöpferin, der Krimi-Autorin Agatha Christie gezeichnet. Genauso verkörperte ihn nun auch Schauspieler Andreas Krämer.

„Mesdames et Messieurs“, wendet er sich sogleich mit bedeutungsvoller Gestik direkt an das Publikum. „Sie erleben gleich eine Geschichte voller Romantik und Tragik.“ Und wohl kaum etwas sei schöner und spannender als ein aus dieser Kombination sich zusammensetzendes Erlebnis, doziert er.

Auch im weiteren Verlauf der Geschichte agiert Poirot/Krämer als eine Art Zeremonienmeister, überdeutlich dezent selbstverliebt changiert er sprachlich zwischen Deutsch und Französisch und mag es überhaupt nicht, wenn er als Schnüffler bezeichnet wird.

Die Bühnenfassung nach dem berühmten Agatha-Christie-Roman wurde von Ken Ludwig erstellt, der die Krimi-Geschichte vor allem als Komödie auffasst. Und genau hier folgt ihm auch Regisseurin Adelheid Müther. Sie arbeitet mit ihrem Ensemble dabei die sich zwischen den Figuren entwickelnden Dynamiken heraus. Herrlich zugespitzt vor allem bei dem kurzen knalligen Zicken-Duell zwischen der Prinzessin Dragomirow (Rosemarie Wohlbauer) und der sich zunächst als Vamp gebärdenden Helen Hubbard (Maria Brendel). Auch die äußerst bigotte Greta Ohlsson (Alice von Lindenau) gibt mit ihrer trotzigen Art eine wunderbar komische Figur ab.

Nach dem Mord an dem alles andere als vertrauenswürdigen Geschäftsmann geraten alle Mitreisende ins Visier des Meisterdetektivs. Aber jedes Mal, wenn dieser meint, eine Spur gefunden zu haben, verläuft sie wieder ins Leere. „Mir gehen die Verdächtigen aus“, beginnt Poirot fast an sich zu zweifeln. Dann reimt er sich doch noch alle Umstände stimmig zusammen. Daraufhin erscheint so gut wie alles in einem völlig anderen Licht, als zunächst vorgegaukelt wurde.

Selbst wenn viele Zuschauer die Auflösung des Mordes von Christies Roman oder dessen mehrfachen Verfilmungen kannten, so goutierte das Premierenpublikum in der Burg das einfach gut gemachte Komödienspektakel und dankte dem Ensemble und dem Regieteam mit kräftigem Applaus.

Detektiv Hercule Poirot (Andreas Krämer) ist der Wahrheit auf der Spur.

 

Spurensuche: Der Eisenbahndirektor (Peter Albers), Hercule Poirot (Andreas Krämer) und die Gräfin Eléna (Virginia V. Hartmann) haben etwas entdeckt.