Am 6. Januar feiern wir Epiphanias, das Erscheinen Gottes in der Welt – im Kind Jesus in der Krippe in Bethlehem. Die Katholische Kirche feiert Heilige Drei Könige, den Besuch der drei Weisen (gelehrte Männer, Sterndeuter) aus dem Morgenland.
Viele Weihnachtskrippen werden erst an diesem Tag komplett. Die Weisen waren zwar schon in Sichtweite, aber erst heute kommen sie am Stall an. Sie steigen von ihren Kamelen und Pferden und beten. Morgen sitzen sie schon wieder auf ihren Tieren und sind nach Hause unterwegs. Interessanterweise bleiben die Hirten die ganzen Tage über an der Krippe.
Einen Tag lang die Fülle, einen Tag lang sind sie alle beisammen. Spiegelt sich in dieser Gestaltung das Wissen, dass das Erscheinen Christi alle anzieht und sie dadurch einander auch näher bringt? Gemeinsam sind sie vor dem Geschenk Gottes versammelt, seinem Sohn. Sie blicken dem wahren Mensch ins Gesicht und sehen in ihm den wahren Gott, erschienen für die ganze Welt.
Wer ist Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, näher: die Hirten oder die Weisen? Wenn sie sich in einer Gruppe einreihen könnten, würden sie sich lieber zu den Hirten gesellen oder zu den Weisen?
Die Hirten gefallen mir, weil sie gestandene Leute sind, bodenständig, scheinbar unkompliziert. Doch frage ich mich, ob mir die Weisen nicht näher stehen. Vielleicht weil ich als Studierte auch als gelehrt gelte. Außerdem kommen sie von weit her zur Krippe. So fühle ich mich manches Mal; der Alltag hat manchmal so wenig mit Christus zu tun. Die Weisen sind anders, sind Ausländer und Fremde, sie kommen dazu – von außen. So wie auch ich nicht in Bad Vilbel und nicht auf dem Heilsberg geboren bin, sondern eine Dazugezogene bin.
Die Weisen kommen nicht wie die Hirten, um zu sehen und dann darüber zu reden; sie kommen, weil sie von einem Geheimnis angezogen wurden; – und als sie es finden, beten sie an. „O dass mein Sinn ein Abgrund wär“ und meine Seel“ ein weites Meer, dass ich dich möchte fassen.“, so dichtet Paul Gerhardt im Lied „Ich steh an deiner Krippen hier“. Mit ihnen bestaune ich das Geheimnis von Weihnachten. Ich kann hier nur staunen, dass Gott sich als hilfloses Wickelkind in einer Krippe zeigt. Es ist Gottes Geheimnis, dass er so in der Welt erscheint.
Ich liebe die Theologie, weil sie das Geheimnis betrachtet, mit ihm umgeht, es beschreibt – und es weitersagen will. Wer aber Theologie lehrt – und das geschieht nicht nur an der Uni oder von der Kanzel, sondern auch dort, wo die Oma dem Enkel etwas von Gottes Größe und Unbegreiflichkeit sagt; wer Theologie lehrt, muss auch zu dem Geheimnis führen, damit Menschen ihm begegnen, es anbeten und es feiern. Wer nur verstehen und nicht auch anbeten will, wird das Geheimnis nicht erkennen. Es gilt auch, sich von dem Geheimnis erfassen zu lassen. Vielleicht gelingt uns das im kommenden Jahr, an Epiphanias oder auch danach.
Ein gnadenreiches neues Jahr wünscht
Pfarrerin Dr. Irene Dannemann
Ev. Heilig-Geist-Gemeinde
Bad Vilbel – Heilsberg