Es gibt eine ambivalente Spielart des Christentums, die sagt: In äußerem Erfolg, in Gesundheit, in Glück, in Gebetserhörungen, in unfallfreiem Leben – da siehst du, ob du von Gott gesegnet bist oder nicht. In Asien und in Südamerika sprießen diese Kirchen wie Pilze aus dem Boden. Auch in Deutschland hat so eine triumphalistische Variante des Glaubens viel Zulauf. Mit Gott zum Erfolg im eigenen Leben? Hier werden Segen, materieller Wohlstand und eigenes Wohlergehen nur allzu leicht verknüpft. Hingegen: Die großen Gestalten des Glaubens waren oft alles andere als erfolgreich.
Das zeigt ein Blick auf Abraham, der als der „Vater des Glaubens“ überhaupt gilt. Die Erzähler Israels zeigen uns am ihm exemplarisch, was Glauben bedeutet. Er ist nach unseren Maßstäben kein erfolgreicher, sondern ein äußerst erfolgloser Mensch. Sein Leben lang hat er zu lernen, wider den Augenschein an das zu glauben, was Gott ihm versprochen hat und dabei nicht zu verzagen. „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“ (1. Mose 12, 2) – auf diese Zusage baut er, auch wenn er von diesem Segen in seinem Leben nichts sieht, allenfalls kleine Anfänge: In das versprochene Land wird er mehr irren als ziehen. In Kanaan lebt er als Fremder, als Migrant. Besitzen wird er von diesem Land am Ende nur ein winziges Stück Boden. Es wird gerade ausreichen, um seine Frau Sara dort zu begraben. Immer wieder wird sein Glauben auf eine harte Probe gestellt werden. Auch Verfehlungen verschweigt die Bibel nicht. Und es wird am Ende keines jener Generationenfotos von ihm geben, wo uralte Menschen umringt sind von Kindern, Enkeln, Urenkeln. Von der verheißenen Nachkommenschaft, zahlreich wie die Sterne am Himmel, sieht er genau: zwei.
Hätte Abraham nur auf das Sichtbare geblickt, dann hätte er an Gott verzweifeln müssen. Doch mehr als alledem vertraut Abraham den kleinen Anfängen.
Unsere ungeduldige Zeit braucht Menschen wie Abraham. Auf der Fixierung auf den sichtbaren Erfolg liegt kein Segen, auch nicht für die Kirche. Menschen brauchen die Zusage, dass Gott ihr Leben segnet – wider den Augenschein. Krankheit, Schuld und Misserfolg sind kein Anzeichen dafür, dass Gottes Segen nicht auf einem Menschen ruht.
Abraham, der nicht mehr erlebte, wie er zum Stamm- und Glaubensvater einer unübersehbaren Menschenschar werden sollte, wird auch „Freund Gottes“ genannt. Freund Gottes – das ist wohl das Höchste, was von einem Menschen gesagt werden kann. Er wird mit Gott leben. Er wird mit Gott reden wie mit einem Freund. Freude und Leid wird er mit ihm teilen. Das ist in Gottes Augen erfolgreich, Segen.
Dieses Vertrauen, manchmal wider den Augenschein, wünscht
Pfarrer Johannes Misterek
(Evang. Kirchengemeinde Dortelweil)