Es riecht nach Rauch, es ist stockdunkel. Die Orientierung fällt schwer. Keinen Meter weit kann man durch den dichten Qualm sehen, hinzu kommen die Schreie Verletzter und panische Hilferufe: Es ist ein Horrorszenario für jede Feuerwehr, wenn Räume voller giftiger Gase kaum zugänglich sind und noch dazu voller Menschen. Bei einer Übung der Freiwilligen Feuerwehr Karben Mitte sollte genau das geprobt werden.
Karben. Das Karbener Kino ist an diesem Donnerstagabend kaum wiederzuerkennen. Die Glasfassade des Gebäudes lässt von außen erahnen, was im Inneren los ist: Sind sonst das untere Stockwerk, das Treppenhaus und sogar das obere Stockwerk von außen gut sichtbar, wabert nun dunkler Rauch in dem Gebäude.
Die Alarmierung erfolgt. Es dauert kaum zwei Minuten, bis das erste Löschfahrzeug um die Ecke biegt. Der Truppführer sondiert kurz die Lage, bespricht sich mit anderen Brandbekämpfern, währenddessen einige bereits ihre Atemschutzanzüge anlegen.
Stresspegel steigt
Die Stimmung ist angespannt, natürlich ist jedem Anwesenden klar, dass es sich um eine Übung handelt, doch das ohrenbetäubende Dröhnen der von der Feuerwehr aufgestellten Rauchabzüge, weiteren eintreffenden Fahrzeugen und nicht zuletzt der lauten Hilferufe im Kino eingeschlossener Menschen erhöhen den Stresspegel aller Beteiligten.
Der Angriffstrupp öffnet die Tür zum Kino und verschwindet in den Rauchschwaden, wenig später kommen die Männer mit dem ersten Verletzten wieder nach draußen. Dieser kann sich zum Glück noch selbst auf den Beinen halten und wird auf der kleinen Grünfläche vor dem Kino verarztet, bevor er zu den Rettungswagen des Roten Kreuzes gebracht wird.
Die Rettungssanitäter sind bei der Übung mit von der Partie und haben ihre Wagen etwas abseits des Feuerwehrgeschehens geparkt, um ihrerseits ebenfalls den Ernstfall zu proben. Nur sehr, sehr langsam lichtet sich der Rauch im Inneren, immer mehr Feuerwehrleute mit Atemschutz stoßen in das obere Stockwerk vor, einer nach dem anderen werden Verletzte nach draußen gebracht.
„Die Verletzten werden von einer Statistengruppe des DRK gespielt“, erklärt René Seemann von der Feuerwehr Karben-Mitte, Gruppenführer bei diesem Einsatz und Organisator der Übung. Die Statisten heben mit ihrem beherzten Spiel die Übung auf ein äußerst realistisches Level. Das hilft den Feuerwehrleuten ungemein, sich auf einen möglichen Ernstfall vorzubereiten. Mit geschminkten Brandwunden und rußigen Gesichtern werden die Verletzten von den Brandbekämpfern nach draußen gebracht. Manche können selbstständig laufen, andere schreien vor Schmerz oder sind völlig panisch, wieder andere sind bewegungsunfähig.
Bei all dem Rauch und der schweren Ausrüstung müssen die Feuerwehrleute die Geretteten beruhigen. „Wir haben diese ganze Übung etwa sechs Wochen lang geplant“, verrät Seemann, nachdem die Situation unter Kontrolle gebracht ist. Man übe ungefähr einmal im Jahr in dieser Größenordnung, meistens zusammen mit der Feuerwehr aus Nieder-Erlenbach.
„Heute ist auch die Feuerwehr Kloppenheim mit alarmiert worden“, sagt er. Taktisch gesehen sei ein Brand in einem Kino immer problematisch: „Theoretisch passen hier 300 Leute rein.“ Das Szenario heute ist ein Schwelbrand, beispielsweise ein Kabelbrand, der zuerst gar nicht entdeckt wird. Die Kinobesucher, so die Annahme, sind schläfrig oder ohnmächtig von giftigen Gasen. „Wir haben 22 Verletzte heute, proben also eher den kleinen Maßstab“, so der Gruppenführer. Die Kinosäle seien dunkel und wegen der Sitzreihen schlecht zu überblicken, was gerade bei so dichtem Rauch ein Problem darstelle.
Insgesamt sind etwa 50 Feuerwehrleute im Einsatz. Beobachter inner- und außerhalb des Kinos haben sich den Einsatz genau angeschaut, in einer Nachbesprechung soll geklärt werden, was gut gelaufen ist und wo sozusagen noch Luft nach oben ist. „Auf den ersten Blick kann ich aber schon sagen, dass wir zufrieden sein können“, findet René Seemann.
Nach der Übung ist den Feuerwehrleuten die Erschöpfung deutlich anzusehen: „Es war wirklich beklemmend da drin. Ich bin insgesamt drei mal rein und raus – die Ausrüstung wiegt 25 Kilogramm“, sagt Feuerwehrmann Martin Sill. „Ich bin aber wirklich froh, dass wir uns so auf den Ernstfall vorbereiten können.“