Karben. Der Karbener Wald ist ein beliebtes Ausflugsziel. Die breit angelegten Waldwege sind gut ausgeschildert und vernetzen alle umliegenden Ortsteile und Gemeinden miteinander. Beste Erholung für die Spaziergänger. Doch wie steht es um den Wald selbst?
Karben verfügt über eine Waldfläche von 234,6 Hektar und betreibt nach eigenen Angaben »eine nachhaltige Waldbewirtschaftung, bei der Natur und Erholung und nicht die Gewinnerzielung im Vordergrund stehen«. Das bestätigt Revierförster Eckhard Richter, ein Mitarbeiter von Hessen Forst, der für die Stadt das Konzept umsetzt. Danach werden die Erlöse aus dem Verkauf der Holzernte wieder in den Wald investiert.
»Weiterhin wird weniger Holz geerntet als nachwächst, sodass der Baumbestand jährlich zunimmt. Dazu werden rund zehn Prozent der in städtischen Besitz befindlichen Waldfläche komplett der Natur überlassen«, sagt Richter. Allerdings gebe es da eine Ausnahme und das seien Eingriffe aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht. Beispielsweise wenn ein absterbender Baum am Rande eines viel genutzten Wanderweges steht, dann müsse auf jeden Fall eingegriffen werden. Und bei diesen Worten deutet Richter auf eine dicke alte Buche. »Die Rinde ist geschädigt und sie hat erkennbar Pilzbesatz am Fuße des Baumes«, erklärt Richter.
Dann greift er zu seiner roten Spraydose und markiert den Baum gut erkennbar mit einem langen roten Strich. »Die muss auch jeden Fall gefällt werden. Ihre absterbenden Äste können auf Fußgänger stürzten und sie dann verletzen«, erläutert der Revierförster. Dass auch so große, starke Bäume vorzeitig absterben, obwohl ihr Lebenserwartung ansonsten bei 200 und mehr Jahren liege, führt Richter auf die vergangenen fünf Trockenjahre zurück.
»Selbst der regenreiche Winter in diesem Jahr hat die Mangelsituation allenfalls abgemildert, nicht jedoch ganz behoben.« Hinzukomme mit der Rußrindenkrankheit bei Ahornbäumen nun noch eine weitere Krankheit, die nach dem Borkenkäfer infolge des Klimawandels die Wälder befallen habe. Durch den Borkenkäferbefall sei beispielsweise die Fichte so gut wie ausgestorben. Sie werde auch nicht mehr neu angepflanzt.
Im Vergleich zu anderen hessischen Wäldern, wie etwa der im Taunus, habe der Karbener Wald dem Klimawandel bisher jedoch noch einigermaßen trotzen können. »Das liegt zum einen daran, dass der Wald hier in Karben tiefer liegt, und zum anderen daran, das der Wetterauer Boden hier deutlich nährstoffreicher ist als in anderen Bereichen Hessens«, berichtet Richter. Er hofft mit neuen Baumsorten wie beispielsweise Feldahorn, Baumhasel, Wildkirsche oder Speierling die Lücken im Wald, die das Absterben der Fichten verursacht hat, schnell wieder schließen zu können. Ziel ist es, auf Dauer einen gesunden Mischwald entstehen zu lassen.
Ein wichtiger Faktor für die Waldbewirtschaftung sind aber auch die Vorgaben der Kommune als Eigentümerin des Waldes. In diesem Falle Karbens.
Fünf Habitatbäume
pro Hektar
»Hier sind die Vorgaben ganz klar: Der Karbener Wald muss als Erholungsraum erhalten bleiben«, sagt Richter. Die Erholungsfunktion rangiere damit klar vor der Nutzfunktion, also dem Fällen der Bäume und der Vermarktung des Holzes. Der Erhalt des Waldes und dessen nachhaltige Bewirtschaftung diene einem weiteren Zweck: Dem Erhalt seiner Schutzfunktion. »Er reguliert den Wasserhaushalt und sichert die Trinkwasserversorgung, wirkt ausgleichend auf das Klima und trägt wesentlich zum Biotop- und Artenschutz bei«, zählt der Revierförster auf.
Erholungswert, Insektenvielfalt sowie Wildbestand und wirtschaftliche Ziele müsse er deshalb bei seiner täglichen Arbeit stets im Auge haben. Und dann eilt Richter wieder in den Wald und sprüht an einem dicken Baumstamm ein »H« auf. Dieses »H« steht für Habitatbaum und diese Bäume dürfen nicht gefällt werden, weil er, egal ob lebend oder tot, Lebensraum für viele verschiedene Tier-, Pflanzen-, Flechten- und Pilzarten bietet.
Mindestens fünf »Habitatbäume« pro Hektar sind bis mindestens 2032 vor der Säge sicher. Sie bleiben auch stehen, wenn mal ein Stamm oder Ast abstirbt, damit Insekten und Vögel dort besser überleben können. Von Jürgen W. Niehoff