Karben. Lia Fink nimmt den Topf mit der Erika in die Hand. Mit einer Hand drückt sie das Plastik nach innen. Mit der anderen zieht sie vorsichtig an der Pflanze. Nach fünf, sechs Versuchen gibt der Topf die Winterblume frei. Lia Fink schaut über das Grab auf dem Groß-Karbener Friedhof und spricht zu sich selbst: „Ich habe viel zu viel. Wo soll ich das denn noch hinpflanzen?“ Zuviel haben auch Karbens Friedhöfe – und zwar an Defizit. Deshalb schlägt Stadtrat Jochen Schmitt (SPD) nun vor, die Gebühren zu erhöhen – um bis zu 45,1 Prozent.
Am geringsten soll bei den Kindergräbern erhöht werden, am meisten bei den Urnengräbern, der am stärksten gefragten Variante. Von 510 auf 740 Euro würden sie sich verteuern. Damit bleibe Karben teils deutlich günstiger als viele Kommunen im Umland, sagt Schmitt. Der Preis für ein Reihenwahlgrab mit Verlängerungsoption nach 30 Jahren soll von 1860 auf 2430 Euro steigen. Und für die jedes Jahr rund 175 Bestattungen drohen zusätzliche Kostensteigerungen: Die Stadt will künftig keine Mitarbeiter des Bauhofs mehr etwa als Sargträger bereitstellen, kündigt der Stadtrat an. Das sollen die Pietäten und Gärtnereien übernehmen. Was im Zweifelsfall die Besteller der Beerdigung zahlen.
Schmitt sieht das Gebührenplus ohne Alternative: 225 000 Euro Miese erwirtschaftete der Friedhofsbereich 2006. Mehrfach mahnte die Kommunalaufsicht die Stadt angesichts ihrer Schuldenlast an, endlich kostendeckende Gebühren zu verlangen. Mit Schmitts Plänen könnte das Defizit auf 60 000 Euro sinken. Den Rest aber könne man nicht auch noch umlegen, findet der Stadtrat: „Auch soziale Gründe müssen berücksichtigt werden.“
Schmitt will nicht nur an der Gebührenschraube drehen. Vor allem sollen die Bauhofmitarbeiter seltener eingesetzt werden – zumal deren Zahl seit 2004 um fünf reduziert worden sei, obwohl die Aufgaben wegen neuer Baugebiete und Grünanlagen steigen. In Kloppenheim und Rendel will Schmitt ab Januar zwei Jahre lang testen, ob ein Privater die Friedhöfe günstiger bewirtschaftet. Dafür soll es reguläre Ausschreibungen geben.
Nicht allein wegen des Defizits müsse man auf den Friedhöfen einiges verändern, sagt Schmitt. „Das Bestattungswesen in der ganzen Republik ist im Umbruch.“ Karben treffen bundesweite Trends: Seit 2003 werden in Karben mehr Tote in Urnen statt in Särgen bestattet. Auch wünschten viele Angehörige Gräber, die man nicht 30 Jahre lang pflegen müsse. Daher will die Stadt den alten Friedhof an der Rendeler Straße in Klein-Karben reaktivieren. 1968 hatte es dort die letzten Bestattungen gegeben, erinnert Erika Schade von der Friedhofsverwaltung. Inzwischen sind alle Gräber eingeebnet. Ab dem Frühjahr sollen auf dem 3500 Quadratmeter großen Gelände ausschließlich Urnenrasengräber entstehen. Nebeneffekt: So kann sich die Stadt den Bau teurer Urnenwände sparen. Und erstmals sollen sich Karbener auf dem neuen alten Friedhof ihre Grabstellen schon zu Lebzeiten aussuchen und für 750 Euro reservieren können. „Der Wunsch ist aus der Bevölkerung an uns herangetragen worden“, berichtet Schmitt.
Dass es teurer wird, damit hat Lia Fink auf dem Groß-Kärber Friedhof gerechnet. dann sollten die Friedhöfe aber besser gepflegt werden, findet sie. „Das sieht oft ganz schlimm aus.“ (den)