Darf man auf einem Friedhof Fußball spielen? Natürlich nicht. Die Totenruhe soll ja nicht gestört werden. Ich finde das einleuchtend. Sollen die Lebenden doch woanders spielen. Was aber ist, wenn ein Mensch sich für sein eigenes Grab einen Fußball wünscht?
Vor einigen Tagen gab es in den Medien große Aufregung um den Fall des kleinen Jens Pascal. Der Junge war mit nur neun Jahren an einem Hirntumor gestorben. Dass sein Leben bald enden würde, wusste er. Deshalb konnte er sich auch wünschen, wie sein Grab eines Tages aussehen sollte. Als glühender Anhänger des Dortmunder Fußballclubs BVB war für ihn klar, dass ein Logo seines Vereins den Grabstein zieren sollte. Die Eltern versuchten, ihm den Wunsch zu erfüllen und gaben eine entsprechende Stele in Auftrag. Mit BVB-Logo, und dem Spruch „Echte Liebe“ – und mit Fußball obenauf. Aber: Darf das sein? Ein Fußball auf einem Friedhof?
Der zuständige Kirchenvorstand lehnte den Entwurf zunächst ab. Ein Sturm der Entrüstung brach in Fernsehen und Internet los, und schließlich gelang die Einigung: Neben die „Echte Liebe“ wird als christliches Symbol eine Taube graviert. Und der Fußball kommt nicht oben auf den Grabstein drauf, sondern er liegt still daneben.
Ganz ehrlich: Ich möchte nicht in der Rolle sein, in so einem Fall über Recht und Unrecht entscheiden zu müssen. Zu sensibel ist es für alle Beteiligten, wenn ein Kind beerdigt wird. Aber den Hintergrund der Diskussion finde ich spannend: Wie sollen, wie können, wie dürfen Gräber gestaltet sein? Müssen alle einer schlichten Einheits-Norm folgen, oder wäre etwas mehr Individualität nicht wünschenswert?
Wenn ein Mensch gestorben ist, dann wird bei der Trauerfeier oft ein Vers aus dem Buch des Propheten Jesaja im Alten Testament rezitiert. „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ Gott kennt die Namen derer, die zu ihm heimkehren. Und mehr als das. Gott kennt die ganze Person. Mit allen Vorlieben und allen Schwächen, mit allen Sehnsüchten und aller Hoffnung. Wir Menschen sind bei ihm keine Einheitsware, sondern Individuen, und er hat jeden einzelnen im Blick, gerade so, wie er oder sie ist.
Das Bedürfnis der Eltern, der Persönlichkeit ihres Sohnes auch am letzten Ruheort Ausdruck zu verleihen, entspricht damit dem, was wir von Gott glauben. Und es ist eine sympathische Gegenbewegung zu dem Trend, sich anonym bestatten zu lassen. In einem Wald oder auf einer Wiese, wo nichts auf die Verstorbenen und ihre Individualität hinweist. Wenn am Wochenende der Totensonntag begangen wird, dann besuchen viele Angehörige die Gräber derer, die uns in den Tod vorausgegangen sind. Wie gut, wenn sie dann einen persönlichen Ort haben, an den sie sich wenden können.
Nein, Fußball spielen darf man auf einem Friedhof deshalb trotzdem nicht. Aber den Fußball-Kompromiss zwischen Eltern und Kirchenvorstand finde ich gut. Ein kleiner Ausdruck der Individualität auf den Gräbern unserer Lieben – unser Herrgott hat gewiss nichts dagegen.
Pfarrer Ingo Schütz
Ev. Christuskirche Bad Vilbel