Karben. „Der Angeklagte wird einen Weg finden müssen, damit zu leben, seine eigene Mutter erschlagen zu haben.“ So schloss Richterin Yvonne Ott am vorvergangenen Mittwoch die Urteilsbegründung im Prozess gegen Nicola W. (19) aus Petterweil. Zuvor hatte die 8. Große Strafkammer des Frankfurter Landgerichts den Petterweiler wegen Totschlags zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Nico hatte eingeräumt, mit 27 Hammerschlägen seine Mutter erschlagen zu haben.
Infolge der „erheblichen Reifedefizite“ des berufslosen Mannes wandte das Gericht Jugendstrafrecht an, was Nico eine niedrigere Strafe eingebracht haben dürfte. Darüber hinaus wurde seine aufgrund der Affektsituation erheblich eingeschränkte Steuerungsfähigkeit strafmildernd angerechnet.
Sowohl die Richterin als auch Staatsanwalt Ronald Morbitzer und Verteidiger Ulrich Endres hatten in ihren Vorträgen versucht, Licht in das Dunkel dieses brutalen Verbrechens zu bringen. Am Abend des 9. Juli vergangenen Jahres war ein Streit ums Geld zwischen Nico und seiner Mutter Birgitt (46) eskaliert. Er griff nach einem Hammer, schlug 27-mal auf die Frau ein und tötete sie damit. „In wilder Wut zugeschlagen“, bezeichnete es der Verteidiger, während der Staatsanwalt von einem „richtigen Gemetzel“ sprach. In den beantragten Strafmaßen lagen beide drei Jahre auseinander: Der Anklagevertreter forderte acht Jahre, während der Verteidiger fünf Jahre für ausreichend hielt. Das Gericht hielt sich damit in etwa in der Mitte.
Auch wenn in den verschiedenen Zeugenaussagen immer wieder von einem „lieben Kerl“ oder einem „freundlichen Jungen“ die Rede war, der seine Mutter geliebt habe – in den Schlussvorträgen und auch in der Urteilsbegründung kamen die Brüche recht deutlich zum Vorschein, die zwischen Nicola und seiner Mutter Birgitt vorhanden gewesen sein müssen. Niemals habe man etwas gemeinsam unternommen, ja noch nicht einmal gemeinsam die Mahlzeiten eingenommen, sagte Richterin Ott. „Mutter und Sohn lebten nur nebeneinander her.“ Auch die Aussage Nicos gegenüber der Polizei bei seiner Vernehmung ließ aufhorchen: „Sonst hat immer sie gewonnen, diesmal aber ich“, sagte er. Das bezog sich wohl auf das jähzornige, beherrschende Wesen der Mutter, der der nicht sehr sprachgewandte Sohn wenig entgegenzusetzen hatte. Statt die direkte Konfrontation mit der Mutter zu suchen, fraß Nico den Ärger in sich hinein, spielte voller Frust am Computer.
In all seinen Enttäuschungen muss er aber auch eine Verbindung zum lieben Gott gefunden haben: Indem er ein Kruzifix aus seinem Zimmer neben die erschlagene und verblutete Mutter legte, „schloss er den Vorgang innerlich ab“, sagte Morbitzer, der ansonsten aber recht deutlich mit dem schweigend vor sich hin starrenden Angeklagten abrechnete. „Ihnen ist der Tod ihrer Mutter doch völlig gleichgültig“, schleuderte er dem jungen Petterweiler entgegen. Nicht einmal irgendwelche Emotionen habe er feststellen können.
Damit stieß er bei dem Verteidiger jedoch auf großes Unverständnis. Auch wenn es häufig Ärger gegeben habe, habe Nicola doch große Angst davor gehabt, die Mutter zu verlieren. Beispielsweise an deren neuen türkischen Freund. Unterm Strich deutete sich an, dass Nico in der Haft versuchen werde, eine Ausbildung zu absolvieren.
Staatsanwalt und Verteidiger plädierten über eine Stunde. Die Gerichtsvorsitzende fasste sich mit gut zwanzig Minuten kürzer. Von den engsten Familienangehörigen war im überfüllten Zuhörerraum außer einer Tante des Opfers niemand zu finden.