Karben/Bad Vilbel. Seit 28 Jahren unterrichtet Mustafa Kemal Özdemir in Karben und Bad Vilbel Schüler in ihrer Muttersprache. Einen Nachfolger gibt es noch nicht. Mustafa Kemal Özdemir ist der erste und bislang einzige Türkischlehrer in Karben und Bad Vilbel. 28 Jahre lang hat er die Kinder aus türkischen Familien an insgesamt acht Schulen in beiden Städten in der türkischen Sprache unterrichtet. Inzwischen sitzen bei Özdemir bereits die Kinder seiner ehemaligen Schüler im Untrricht.
Bis zu den Sommerferien bringt er den Schülern der ersten bis sechsten Klassen noch den türkischen Wortschatz und die Grammatik nahe. Dann geht der 62-Jährige in Altersteilzeit. Ob es einen Nachfolger geben wird, steht noch nicht fest.
1979 sei er als Tourist das erste Mal in Deutschland gewesen, blickt Özdemir zurück. Es habe ihm gefallen, so dass er im Januar 1980 nach Deutschland kam. Seine Frau und die beiden Töchter – später ist eine dritte dazugekommen – blieben zunächst in der Türkei, bis Özdemir eine Arbeitsstelle gefunden hatte. In der Türkei unterrichtete er Türkisch an der Mittelschule und leitete eine Schule.
Bis er in Deutschland Arbeit fand, vergingen eineinhalb Jahre, in denen die Familie getrennt war, „so dass ich am ersten Geburtstag meiner Tochter nicht dabei sein konnte“. Mit etwas Glück und der Hilfe von Bekannten fand er eine Anstellung als Türkischlehrer an der Saalburgschule in Bad Vilbel. Er zeigt seinen Arbeitsvertrag mit Datum vom 7. Mai 1981, wonach sein Arbeitsauftrag lautet: „Erteilung von muttersprachlichem Unterricht“.
Über all die Jahre hat Özdemir zahlreiche Kinder aus den türkischen Familien in Karben und Bad Vilbel unterrichtet. „Ich kenne etwa 95 Prozent der türkischen Familien in beiden Orten“, sagt er nicht ohne Stolz. Und er hat nicht nur die Kinder unterrichtet, sondern die Familien oftmals auf Etappen ihres Lebensweges begleitet. „Ich war bei freudigen Ereignissen wie Hochzeiten ebenso dabei wie bei traurigen Anlässen etwa bei Todesfällen.“
Bis heute könne er sich über mangelnden Respekt seitens seiner Schüler nicht beklagen. „Ich nehme die Kinder ernst, und sie nehmen mich ernst.“ Zwar werde der Unterricht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit abgehalten, „doch ich interessiere mich auch dafür, wenn die Schüler Schwierigkeiten haben“, erklärt Özdemir.
Erwachsene müssen sich für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Özdemir wählte die deutsche. Er fühle sich in Deutschland zuhause, sagt Özdemir, wenn auch der Kontakt zu Familie und Freunden in der Türkei für ihn immer wichtig ist.
Im Ruhestand möchte er einige Wochen im Jahr in der Türkei verbringen. Auch in Deutschland werde er in der Sonne sitzen, „wenn sie mal scheint“, sagt Özdemir augenzwinkernd beim Blick aus dem Fenster in den wolkenverhangenen Himmel. Und er möchte Zeit für Enkelin Noel haben.
Auch Kulturelles – etwa der Besuch von Theater und Oper – sei bisher zu kurz gekommen. Und er will sich wieder mehr im Deutsch-Ausländischen-Freundschaftskreis (DAF) engagieren, zu dessen Gründungsmitgliedern er gehört.
Zu seiner Verabschiedung hatten Eltern seiner jetzigen und ehemaligen Schüler eine Feier im Bürgerhaus Petterweil organisiert.