
Karben. In Petterweil gibt es bald eine neue Form für die letzte Ruhe. Ortsvorsteher Dennis Vesper kam die Idee dazu in einem Freizeitpark. Einerseits sind deutsche Totenäcker zentimetergenau reguliert. Beispiel: Ein Sarg darf in Karben maximal 2,05 Meter lang sein. Er muss mindestens 90 Zentimeter unter der Grasnabe liegen. Andererseits verändert sich gerade rasant die Bestattungskultur.
Vor der Jahrtausendwende war das Familiengrab Standard. Jetzt lassen sich vier von fünf Menschen nach dem Tod verbrennen und in der Urne bestatten – oft sogar anonym.
In Karben kamen 2024 laut Stadtverwaltung 204 Menschen unter die Erde, davon 187 in Urnen und nur noch 17 im Sarg. Die Gründe fürs Verbrennen sind vielfältig: Familien leben nicht mehr über Generationen an einem Ort. Trauer über einen Tod drückt sich deshalb seltener über ein Grabmal aus, heißt es in einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Die Trauer werde »delokalisiert«. So gibt es nun Erinnerungsseiten an Tote im Internet.
Der Trend zum Verbrennen hat auch etwas mit Kosten zu tun. In Karben verlangt die Verwaltung 300 Euro für eine Urnenbestattung – die Erdbestattung kostet mit 1500 Euro fünfmal so viel.
Idee für
eigenen Friedwald
Momentan sind Urnenrondelle beliebt. In Groß-Karben und Burg-Gräfenrode liegen die Urnen im Kreis um ein zentrales Element. Auf dem Friedhof von Petterweil ist das seit 2021 auf 60 Urnen ausgelegte Rondell bald belegt. Die Toten umringen hier eine Stele des Künstlers Leo Streukens. Er setzte farbige Tränen aus Glas in einen Holzpfahl, den er aus altem Kirchengestühl fertigte.
Für die Zukunft wäre ein Friedwald schön, überlegte Ortsvorsteher Dennis Vesper (SPD). »Der Wald ist uns nah. Wir fühlen uns in ihm heimisch«, sagt er beim Treffen auf dem Friedhof neben dem Robert-Blum-Denkmal. Doch ein Wald fehlt hier. Es gibt Linden und Birken und zwei Rasenflächen, die für künftige Bestattungen reserviert sind. Vesper kam eine Idee: »Wir haben mit der Familie einen Centerpark in Belgien besucht«, erzählt der 43-jährige Webdesigner und Ortsvorsteher. Da gab es Jahresbäume als Treffpunkte für die Besucher der Freizeitanlage. Warum nicht auch auf dem Friedhof?
Im März machte sich der fünfköpfige Ortsbeirat von Petterweil Dennis Vespers Idee zu eigen. Er beantragt bei der Stadt nun die Anlage eines ersten Jahresbaum-Urnenrondells. Nahe der Trauerhalle soll ein tief wurzelnder Baum – vielleicht eine Eiche – gesetzt werden, um den herum die Urnen der Toten eines Jahres bestattet werden. Während der ersten Trauer dürfen Blumen oder Kerzen auf dem Rasen stehen – später werden die Namen der Toten auf einer gemeinsamen Platte am Baum verewigt. In den folgenden Jahrzehnten kommen Jahresbäume hinzu, bis Petterweil einen eigenen Friedwald hat.
Die Stadtverwaltung findet die Idee nicht schlecht. Ihr Sprecher Dominik Rinkart empfiehlt im Namen der Friedhofsverwaltung die Pflanzung gleich mehrerer Bäume. Sie könne »auch mit Blick auf die Pflege der neuen Bäume effektiver sein. Unabhängig aber von der Frage des Pflanzzeitpunktes könnte die Idee, einen bestimmten Baum nur für Bestattungen eines spezifischen Jahres zu nutzen, umgesetzt werden.«
Flott umsetzbar ist das Projekt auch, weil die Karbener Friedhofsordnung schon Regeln für »Baumgrabstätten« hat. Demnach dürfen dort maximal zwei Urnen aus kompostierbarem Material übereinander vergraben werden. Die Angehörigen müssen den Platz für 20 Jahre kaufen. Der Name des Toten kommt auf eine runde Steinplatte von genau 45 Zentimetern Durchmesser. Die wird so platziert, dass der Rasenmäher drüberfahren kann.
Von Klaus Nissen