Bad Vilbel. Bruder Paulus Terwitte nahm die Zuhörer in seinem Buch „Das Leben findet heute statt“ mit auf einen Rundgang durch ein Kapuzinerkloster. Er führte gesellschaftliche Fehlentwicklungen schonungslos und mit einem großen Schuss Humor vor. Diese Mischung stellte keine Diskrepanz dar, sondern ergänzte sich.
Intelligent verpackte der Kapuzinermönch die Botschaft, dass die Menschen nicht im Hier und Jetzt zu leben vermögen und sich mit seichten Ablenkungsmanövern auf morgen, übermorgen und die Zukunft zu vertrösten versuchen. „Die Menschen neigen dazu, sich als Sammler zu bewegen und horten Dinge, um das Bewusstsein der Zeit und Vergänglichkeit zu verdrängen“, so Paulus. Das entspringe einer Angst, im Leben nicht genug zu bekommen.
Da, wo wir gerade leben, könnten wir nicht zufrieden sein, man harre immer noch auf das andere. Ist der Partner wirklich der, den ich wollte, der Beruf, das Haus, die Kinder – und ist das Gras auf der anderen Seite des Zauns nicht immer grüner? So hangele der Mensch von einer Unzufriedenheit zur nächsten, lenke sich ab mit oberflächlichen Dingen.
Was kann uns der Eintritt ins Kloster über das Leben lehren? Bruder Paulus begann mit dem Bild der Niederlassung. So wie das Kloster Sicherheit und Beständigkeit biete, so schließe es auch manches aus. Leben bedeute, sich zu entscheiden, eine Wahl zu treffen und sich nicht permanent auf dem Sprung zu befinden. Das Leben sei kein Puzzle aus vorläufigen Erlebnissen, die man heute hier und morgen woanders aufsammele und wo man sich immer in einer Art Warteschleife auf eine bessere Zukunft befinde.
Warum der Aufschub auf das Glück? „Der Reichtum des Lebens kommt nicht erst, er ist schon da, und das Leben fängt heute an und will gelebt werden und nicht erst morgen“, betont Paulus.
Die Plapperitis sei eine weitere Unsitte, jeder trage zur akustischen Umweltverschmutzung bei, Hauptsache es werde geredet. Der Smalltalk, die lapidare Frage, wie es geht, deren Antwort oft erst gar nicht abgewartet werde, weil die Menschen das Zuhören verlernt hätten, die elektronische Berieselung: Dieser Ton-Terror diene nur dazu, die Menschen vom Nachdenken abzuhalten.
Irrationale Erwartungen an Gesundheit machten uns unfähig, mit Krankheit umzugehen. Im Gegensatz zum Kloster habe unsere Gesellschaft keinen Vorbildcharakter im Verhältnis mit kranken Menschen. „Es gibt kein Leben ohne Behinderung und jeder ist auf seine Weise in irgendeiner Weise behindert“, befindet Paulus.
Es mache ihn ärgerlich, so Bruder Paulus, wenn Menschen immer den Satz „Hauptsache gesund“ benutzten, denn er suggeriere, dass der Wert eines Menschen von seiner körperlichen und geistigen Gesundheit abhänge. Im Gegenteil, ein Kranker bedürfe eines Raumes der Bejahung und der menschlichen Zusage, dass er wertvoll ist, sagte der ehemalige Krankenseelsorger. Die Moderation übernahm Ehrenbürgermeister Günther Biwer, der sich mit Bruder Paulus humorvoll die Bälle zuspielte.