Nidderau. „Wenn die Pferdesteuer hier in Nidderau wirklich beschlossen wird, dann ist das für mich absolut existenzgefährdend. Und mindestens meine Reitschule werde ich dann sofort schließen müssen“, klagt der Pferdestallbesitzer Manfred Herrmann aus Heldenbergen. Über 90 Prozent der bei ihm eingestellten Pferde stammen von Haltern, die nicht in Nidderau wohnen. Auch Sandra Schuster aus Bad Vilbel meint: „In der Tat, ich werde dann mein Pferd hier wegholen und woanders unterstellen“. Eine weitere Pferdebesitzerin kommentiert die Unterhaltung mit den Worten: „Ich werde mein Pferd dann gleich ganz abschaffen, denn wenn eine Kommune damit anfängt, wird das sicherlich schnell Schule machen“.
Viele Zuschriften
Andere Stimmen, die die Redaktion in den letzten Tagen über Leserbriefe erreichten, gehen gegen dieses Vorhaben der Stadt Nidderau noch schärfer zu Gericht. Beispielsweise Joachim von Hinckeldey aus Borler: „Die SPD und ihre Genossin Sperzel werden in Zukunft den neuen Begriff der Wutbürger zu spüren bekommen. Denn die Jugend Nidderaus, die angeblich immer von der Straße geholt werden soll, bleibt auf der Strecke.“ Und weiter meint der Leserbriefschreiber, dass Vereine, die Jugendarbeit an vorderster Front betreiben, ihr Angebot aufgrund solch „sinnloser Abgaben“ verkleinern müssten.
Eine weitere Leserin der Zeitung, Marie Lanters aus Gießen, berichtet davon, dass sie ihren Wohnkomfort zugunsten ihres Pferdes schon jetzt stark eingeschränkt habe und nur noch in einem Einzimmerappartement lebe. „Denn der Unterhalt eines Pferdes kostet monatlich sehr viel Geld, dazu kommen Kosten für Hufschmied, Tierarzt, Futter, Zubehör, Pflegemittel . . . und von all dem fallen Steuern ab. Dafür verzichten viele Pferdehalter auf anderen Komfort wie etwa auf Urlaub oder eine komfortable Wohnung“. Abschließend fragt die Pferdeliebhaberin, welches Hobby denn Nidderaus Stadträtin Sperzel habe? Und was sie sagen würde, wenn man beispielsweise eine Fahrradsteuer oder eine Brillenträgersteuer einführte?
Monika Sperzel (SPD), Erste Stadträtin und Kämmerin, findet die Angriffe gegen sie nicht fair. Schließlich führe sie nur den einstimmig gefassten Beschluss der Stadtverordnetenversammlung aus. Der hat nämlich den Magistrat beauftragt, die Möglichkeit einer Pferdesteuer zu prüfen.
Rechtliche Prüfung
Nach dem Erlass des Innenministeriums sind defizitäre Kommunen, und dazu gehört Nidderau mit einer Neuverschuldung von rund 4,1 Millionen Euro nun mal, angehalten, sämtliche Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen. Sperzel lässt deshalb derzeit vom Hessischen Städte- und Gemeindebund die rechtlichen Voraussetzungen zur Erhebung einer derartigen Steuer prüfen. Danach muss sie dem Parlament das Ergebnis und gegebenenfalls eine Gebührensatzung vorlegen. Erst dann bestimmt die Stadtverordnetenversammlung, ob die Pferdesteuer und gegebenenfalls in welcher Höhe eingeführt wird oder nicht. „Der Spielball liegt also eindeutig bei der Politik und nicht beim Magistrat“, so Sperzel, die die Proteste der Pferdehalter zwar verstehen kann, im Übrigen aber auf die Hundehalter hinweist, die auch Steuern für ihre Tiere zahlen müssten. Doch Pferdestallbesitzer Manfred Herrmann will dieses Argument nicht gelten lassen. „Wir haben mehr als 100 Kinder in der Reitschule, die hier auf dem Reitgelände ihre Freizeit verbringen. Damit holen wir die Kinder von der Straße und wir kümmern uns um sie. Das machen Hundebesitzer nicht“.
Im Übrigen verweist Herrmann auf den neu aufgenommenen Artikel in der Hessischen Verfassung, nachdem der Sport gefördert werden soll. Besteuerung aber sei das Gegenteil, klagt er. Vielleicht hält man sich dann an die Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung von Langenselbold, die ein ähnliches Vorhaben am Montagabend mit der Mehrheit von CDU, Grünen und einem Teil der SPD abgelehnt hat.